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In-Depth Information
wir Menschen beim Lesen nicht nur Schriftzeichen erkennen, sondern
gleichzeitig den Sinnzusammenhang erfassen. Das Verständnis für den Sinn
eines Textstücks erlaubt es uns, Unklarheiten im Schriftbild im Rückschluss
zu beheben. Texterkennungsprogramme hingegen berücksichtigen den Sin-
nzusammenhang bislang nicht.
Trotzdem funktioniert die Texterkennung durch den Computer inzwischen
erstaunlich gut, und das führt zu ganz neuen Anwendungsmöglichkeiten. So
bietet Google eine Handy-App namens Goggles an, die eine Art visuelle
Suche erlaubt. Nicht ein Suchwort wird dazu eingetippt, sondern mit der
Handy-Kamera ein Foto geschossen. Fotograiert man einen Text, wird
dieser per Texterkennung in einen »echten« digitalen Text überführt. Die
App bietet dem Nutzer dann an, den Text entweder zu übersetzen oder zu
verschicken. Fotograiert man einen Bucheinband, werden die bibliograis-
chen Angaben angezeigt. Man kann auf diese Weise sogar Schilder foto-
graieren und sich Zusatzinformationen aus Wikipedia anzeigen oder eine
Speisekarte übersetzen lassen. Die einst große Barriere zwischen Bild und
Text ist damit fast nicht mehr vorhanden.
Mit Texterkennung wird das Problem gelöst, wie Geschriebenes überhaupt
in den Computer kommt. Lesen umfasst aber mehr, als nur Schriftzeichen
korrekt zu erkennen. Wenn jemand lesen kann, dann erwarten wir, dass das
Gelesene in seinem Kopf irgendetwas bewirkt. Man könnte den Leser zum
Beispiel fragen, wovon der Text handelt; wenn er mit einer Zusammenfas-
sung darauf antworten kann, dann glauben wir auch, dass er den Text tat-
sächlich gelesen hat. Schwieriger wäre es wohl für einen Menschen, ein
längeres Stück aus dem gelesenen Text aus dem Gedächtnis vorzutragen.
Zusammenhänge herstellen und Sinn erkennen - das beherrschen wir
Menschen sehr gut, die exakte Reproduktion von Daten hingegen weniger.
Beim Computer verhält es sich genau umgekehrt: Während das maschinelle
Verstehen von Texten noch immer weit hinter den Fähigkeiten des Menschen
zurückbleibt, kann der Computer viel besser als der Mensch den Text als
Datensammlung verarbeiten und Wörter und Textstücke aufinden, und zwar
sehr schnell. Der Mensch erfasst den Textsinn, liest aber langsam, der Com-
puter verarbeitet die Textteile sehr schnell, ohne aber den Sinn zu erfassen.
Aus dieser Perspektive betrachtet ist eine Suchmaschine wie Bing von Mi-
crosoft oder Googles Web-Suche nichts anderes als eine gewaltige
Lesemaschine - schnell, aber dumm. Und genau diese Eigenschaft machen
 
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