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Über ein Kabel verband er die Kugel mit dem Monitor und
machte sie auf diese Weise beweglich. Das war die Geburt der
deutschen Computermaus und vermutlich der ersten auf der
Welt. Patentanmeldungen der Firma Telefunken hierzu sind
jedoch nicht bekannt. Der Begriff „Rollkugel“ indet sich je-
doch bereits in mehreren Telefunken-Schriften aus den 60er-
Jahren. Man indet sie vor allem in Beiträgen zur Steuerung
elektronischer Schaltungen. Allerdings sitzen hier die Kugeln
stets in festen Halterungen.
Solche Konigurationen waren offensichtlich unter den In-
genieuren längst bekannt, und der Schritt zur mobilen Kugel
wurde - so muss man annehmen - als so geringfügig betrach-
tet, dass eine Patentanmeldung unterblieb. Man machte sich
noch nicht einmal die Mühe, dem Kind einen neuen Namen
zu geben. Es wird eigentlich nur aus Bildern oder Beschrei-
bungen klar, dass eine Telefunken-Rollkugel kein stationärer
Trackball mehr ist, sondern schon eine bewegte Maus.
Am 2. Oktober 1968 - also gut zwei Monate vor Doug-
las Engelbarts Demo - erschien dann in den „Technischen
Mitteilungen“ von AEG-Telefunken ein Artikel von Günter
Neubauer über Sichtgeräte in elektronischen Datenverar-
beitungsanlagen . Er behandelte den Monitor SIG-100 für
vektorgraische Darstellungen von Ziffern, Buchstaben,
Sonderzeichen und Polygonen; als Eingabemedien dienten
Lichtgriffel, Lichtindikatoren und Rollkugeln. Mit ihnen ,
schrieb der Autor, ist es möglich, schnell und leicht ein Positi-
onssymbol auf dem Schirm zu verschieben, Marken zu setzen
und damit die Information zu verändern. Der Cursor wurde
damals also auch schon erfunden. Zum Text gehörte ein Bild,
das den SIG-100 mit angeschlossener Rollkugel zeigt. Mit
der Auslieferung der TR-440 zählte das über einen Satelli-
tenrechner TR 86 anzuschließende Sichtgerät SIG-100 zum
Peripherie-Angebot. Die zugehörende Rollkugel musste opti-
onal erworben werden. Gesichert ist, dass im Jahre 1972 vier
mobile Rollkugeln im Münchner Leibniz-Rechenzentrum im
Einsatz waren. Das war neun Jahre vor der ersten in den USA
verkauften Maus, mit der man den Xerox Star bediente.
Die einzige noch bekannte Telefunken-Maus beindet sich
im Computermuseum der Fakultät für Informatik der Uni-
versität Stuttgart. In der Computerschausammlung der FH
Kiel indet sich eine Funktionsbeschreibung, die zwischen
1968 und 1970 erschien. Mit ihr lässt sich die Bedienung
der Rollkugel rekonstruieren. Sie besaß an der Oberseite ei-
nen zentralen Druckknopf, der sie einschaltete und die Tas-
tatur ausschaltete. Ihre Hauptaufgabe war das Verschieben
einer Sichtmarke auf dem Bildschirm. Zum Zeichnen von
Polygonzügen musste der Benutzer die Kugel aktivieren, die
Marke durch Rollen über den Tisch verschieben, die Kugel
ausschalten und eine Taste auf der Tastatur drücken. Darauf-
hin wurden die letzte und die vorletzte Position des Cursors
durch eine Linie verbunden.
Die Weiterentwicklung der Maus erfolgte in den 1970er-
Jahren am Palo Alto Research Center (PARC) der Firma
Xerox, da William English das SRI verlassen und zu Xerox
PARC gewechselt hatte. Er entwickelte dort seine Kugel-
maus. Sie wurde 1973 zum ersten Mal beim Xerox Alto
eingesetzt, der auch erstmals eine graische Benutzerober-
läche besaß. Durch seine Tätigkeit am Palo Alto Research
Center war auch Niklaus Wirth angeregt worden, im Laufe
seiner weiteren Arbeit an der ETH Zürich eine graisch ori-
entierte Workstation mit Mausbedienung zu entwickeln.
Das Ergebnis war die Lilith , die im Jahre 1980 vorgestellt
wurde. Kommerziell verwendet wurde die Maus im Rech-
ner Xerox Star im Jahre 1981, doch dem System wurde
kein wirtschaftlicher Erfolg zuteil. Sie war viel zu teuer -
die Maus kostete 400 US$ und die entsprechende Schnitt-
stelle im Computer 300 US$. Der Computerhersteller Apple
lizenzierte diese Technik und beauftrage das kalifornische
Design- und Ingenieurbüro Hovey-Kelley Design (heute
IDEO) mit der Entwicklung einer verbesserten, industri-
ell herzustellenden Maus für 25 US$. Die von Apple und
IDEO entwickelte Kugelmaus wurde zum vorherrschen-
den Funktionsprinzip für Mäuse während der 1980er- und
1990er-Jahre. Apple brachte diese Maus 1983 zusammen
mit dem Rechner Lisa auf den Markt, der allerdings auf-
grund seines hohen Preises keinen Markterfolg hatte. Erst
das Nachfolgemodell, der 1984 eingeführte Macintosh, war
und ist (mit seinen Nachfolgemodellen) auch wegen seiner
graischen Benutzeroberläche sehr erfolgreich. Erstmals
im großen Marktgeschehen basierte dessen Oberläche auf
Mausbedienung.
Im Jahre 1985 brachte eine Ausgründung der École po-
lytechnique fédérale de Lausanne (EPFL; Eidgenössische
Technische Hochschule - Lausanne ), die Firma Logitech ,
die erste populäre Drei-Tasten-Kugelmaus LogiMouse C7
( Abb. 1.100 ) mit RS-232-Anschluss auf den Markt. Mit der
Einführung der PS/2-Systeme durch IBM im Jahre 1987 wur-
den Mäuse mit PS/2-Anschluss vorgestellt. Die Maus wurde
von IBM auch in Deutschland oft als Pointing Device be-
zeichnet.
Da die mechanischen Mäuse etwas störanfällig waren,
begann man mit der Entwicklung optischer Mäuse. Die ers-
ten Entwicklungen begannen 1980 relativ zeitgleich bei der
Firma Mouse Systems durch Steve Kirsch und bei Xerox
durch Richard Francis Lyon . Deren Durchbruch kam aber
erst mit günstigen und leistungsfähigen Chips zur Bildver-
arbeitung. Es dauerte bis Ende der 1990er, bis die optischen
Mäuse die auf Kugelmechanik basierenden Mäuse zu ver-
drängen begannen. Ab Ende 1998 tauchten auch die ersten
Mäuse auf, die über den 1996 im Wesentlichen von Intel spe-
ziizierten USB-Bus an den Computer angeschlossen und in
Windows 95 (OSR2.1), Windows 98 auf PCs oder MacOS
auf Apple iMac betrieben werden konnten (Primax Navigator,
Logitech Pilot).
Das mitunter die Bewegungsfreiheit einschränkende Ka-
bel führte zur Entwicklung drahtloser Mäuse. Im Jahre 1984
 
 
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