Information Technology Reference
In-Depth Information
Abb. 3.23 Hermann Haken
3.4
Fuzzy-Systeme
Die Zweiwertigkeit der klassischen Logik, auf der unsere
heutigen Computer beruhen, entspricht nicht unserem natür-
lichen Umfeld. Beobachtet man Menschen beim Sprechen,
so kann man feststellen, dass sie sich nicht in der klassischen
zweiwertigen Logik ausdrücken. Sie drücken sich überwie-
gend graduell abgestuft aus, d. h. sie gebrauchen Formulie-
rungen wie „ziemlich teuer“, „es tut etwas weh“ oder wie
oben, „überwiegend graduell abgestuft“. Derartige Formu-
lierungen sind aber durch klassische Mengenlehre bzw. klas-
sische Logik überhaupt nicht oder nur unzureichend zu be-
schreiben. Dieses Sprachverhalten wird von vielen Forschern
als Indiz dafür angesehen, dass auch die natürliche Informa-
tionsverarbeitung, z. B. im menschlichen Gehirn, nicht auf
einer zweiwertigen Logik beruht, sondern dass hier andere
Prinzipien gelten.
Hierfür spricht auch, dass die Informationen, die das Ge-
hirn erhält, in den meisten Fällen nicht exakt, sondern un-
scharf und vage sind. Zum einen liefern physikalische und
technische Sensoren nie exakte Werte. Aber auch die Informa-
tionen, die die natürlichen Sensorzellen z. B. über Temperatur
oder Schmerzintensität liefern, sind keine exakten, sondern
unscharfe Werte. Unser Gehirn ist jedoch in der Lage, diese
Informationen problemlos zu speichern und zu verarbeiten.
Daneben existieren bei der Modellierung unseres prak-
tischen Umfeldes bei der ausschließlichen Verwendung der
zweiwertigen Logik noch weitere Problematiken. Diese Prob-
lematiken seien an den folgenden konkreten Beispielen näher
erläutert.
In der klassischen Mathematik und Logik ist eine Menge
M auf einer Grundmenge G durch ihre Elemente bestimmt.
Für jedes Element x der Grundmenge G wird festgelegt, ob
es zur Menge M gehören soll („ x M “) oder nicht zu M ge-
hören soll („ x M “). Mathematisch kann man dies durch die
Angabe einer charakteristischen Funktion beschreiben. Die
charakteristische Funktion hat die Grundmenge G als Dei-
nitionsbereich und die zweiwertige Menge {0,1} als Werte-
vorrat. Gehört ein x ∈ zu M , so nimmt die charakteristische
Funktion χ M den Wert 1 an, anderenfalls gilt χ M = 0.
lysiert werden. Danach muss man einen Lösungsalgorithmus
inden, den man im letzten Schritt in einem Computerpro-
gramm codiert. Bei Künstlichen Neuronalen Netzen benö-
tigt man lediglich Beispieldaten, die jedoch genügend groß
sein müssen und die ferner alle möglichen Randbedingungen
überdecken müssen. Diese werden dem Netz in einer Lern-
phase präsentiert und aufgrund seiner Lernfähigkeit (Adap-
tionsfähigkeit) ist das Netz in der Lage, selbstständig eine
Lösung zu approximieren. Eine Programmierung im engeren
Sinne indet nicht statt. Auch haben sie sich relativ robust
gegenüber Verrauschungen und Unsicherheiten in den Daten
gezeigt.
Inzwischen werden Künstliche Neuronale Netze in vielen
Bereichen mit Erfolg eingesetzt. Hierzu gehören u. a. Pro-
gnosesysteme, Datenanalyse, Prozessbesserungssysteme,
Diagnosesysteme sowie Mustererkennung.
Sie besitzen allerdings bisher auch noch einen gravieren-
den Nachteil. Es ist nicht veriizierbar, was ein Netz in seiner
Lernphase exakt gelernt hat. So wurde Ende der 60er-Jahre
vom amerikanischen Verteidigungsministerium ein Projekt
aufgelegt, das die Entwickelung eines Systems vorsah, wel-
ches auf dem Gefechtsfeld getarnte Panzer und Fahrzeuge
entdecken konnte. Grundlage sollte ein Künstliches Neu-
ronales Netz sein. Zu diesem Zweck machte man zunächst
Aufnahmen von einem Truppenübungsplatz ohne Fahrzeuge.
Danach platzierte man dort Fahrzeuge und Panzer und tarnte
sie. Anschließend wurden die Aufnahmen wiederholt. Diese
Aufnahmen waren die Daten für die Lernphase. Die Erfolge
im Labor waren fantastisch. Die Entdeckungsquote lag bei
100 %. Danach testete man das System in der Praxis auf
einem Testgelände. Das System versagte vollständig. Es
dauerte relativ lange, bis man die Ursache hierfür fand. Das
System hatte perfekt gelernt, nur nicht das, was es sollte. Die
ersten Aufnahmen fanden bei schönem Wetter statt, bei den
zweiten Aufnahmen war der Himmel bedeckt. Das System
hatte perfekt gelernt, wolkenlosen Himmel von mit Wolken
bedecktem Himmel zu unterscheiden.
Beispiel 1
Sei das Intervall von 10 bis 30 der Bereich der möglichen
Raumtemperaturen eines Zimmers in °C. Auf diesem In-
tervall soll das Teilintervall der „angenehmen Zimmer-
temperaturen“ modelliert werden. In der klassischen Men-
genlehre ist die Modellierung des Begriffs „angenehme
Zimmertemperatur“ nur durch ein fest deiniertes Teilinter-
vall möglich. Bei der Modellierung treten zumindest zwei
Probleme auf:
1. Eine Raumtemperatur von 21 °C wird objektiv von allen
Menschen als angenehm bezeichnet werden. Die Festle-
gung des festen Intervalls einer angenehmen Zimmertem-
 
 
 
Search WWH ::




Custom Search