Information Technology Reference
In-Depth Information
Eine bemerkenswerte Leistung! Um Teilungen in Primzahlen vor‑
nehmen zu können, braucht man Teildrehungen der Schnecke.
Und diese exakten Teildrehungen erreicht man dadurch, daß die
Schnecke mit einer Scheibe mit 100 Einteilungen versehen wird,
die es erlaubt, den einhunderttausendsten Teil des Trommelum‑
fanges zu erkennen.
Schwilgué hatte die Anzahl der Umdrehungen und der Teilum‑
drehungen der Handkurbel berechnet. Sie sind auf Papierrollen
eingetragen. Damit man diese Zahlenfolgen, ohne sich zu irren,
ablesen konnte, wurden die Papierrollen in einem hölzernen
Kästchen abgerollt. In einer kleinen Öffnung erschienen dann
nacheinander die Zahlen. Die Maschine kann auch konische
Zahnräder und helikoidale Zahnungen fräsen und ebenso als
Graviermaschine benutzt werden.
Noch bis 1989 wurde sie gelegentlich für spezielle Fräsarbeiten
bei der Firma Ungerer in Straßburg verwendet.
Schwilgué hat auch noch eine Zahnradhobelmaschine zur Her‑
stellung der Stahltriebe gebaut, bei der er die gleichen Form‑
stichel verwendet. Die Teilvorrichtung dieser Maschine war für
eine sehr viel kleinere Anzahl von Zähnen vorgesehen. Sie konnte
ebenfalls helikoidale Zahnräder fräsen.
5.4
Der Kirchenrechner
des Straßburger Münsters
Abb. 5.22 Zykloidenverzahnung: wechselseitige, alternierende Ver-
zahnung mit gerader Innenlanke und epizykloidaler Außenlanke
Eine Besonderheit, die die astronomische Uhr des Straßburger
Münsters in der Welt einmalig macht, ist der bereits erwähnte
und sich links im Sockel beindliche Kirchenrechner ( com‑
put ecclésiastique , Kirchenkomput). Er wird von der Uhr nur
einmal jedes Jahr, und zwar in der Silvesternacht, gestartet.
Durch ihn werden die beweglichen Kirchenfeiertage des nun
folgenden Jahres berechnet und auf dem automatischen Ka-
lender angezeigt. Danach verweilt der Comput ecclésiastique
wieder in Ruhestellung bis zum nächsten Silvesterabend.
Die Einstellung der beweglichen Kirchenfeiertage, insbeson-
dere von Ostern, stellte ein besonderes Problem dar und musste
jährlich bei jeder astronomischen Uhr vorgenommen werden.
Wie bereits erwähnt, wurde dies bei der Uhr des Doms in
Münster dadurch gelöst, dass der Ostertermin, genauer der
Zeitabschnitt zwischen Weihnachten und Fastnachtsdienstag,
aus dem der Ostertermin unmittelbar abgeleitet werden kann,
von Astronomen für eine 532-jährige Periode vorausberech-
net worden war. Ähnlich ging man bei allen anderen astro-
nomischen Uhren vor. Es war die einmalige Leistung von
Schwilgué, die komplexen Berechnungsverfahren automa-
tisiert zu haben. Hierbei wurde von Schwilgué - in heutiger
Terminologie - ein 4-Pass-Programm hardwaremäßig imple-
mentiert, d. h. es laufen im Wesentlichen vier separate Teil-
programm (Module) ab. Die „hardwaremäßige Implemen-
tierung“ erfolgte durch eine äußerst rafinierte Anordnung
von Zahnrädern, Achsen und Hebeln. Hierbei können die
Translationen und Rotationen des Rechners in Einzelschrit-
ten verfolgt werden. Das Gesamtgewicht dieses Räderwerkes
Abb. 5.23 Von Schwilgué entwickelte Zahnteilungsmaschine
Die Maschine kann beliebig viele bis maximal 1000 Zähne fräsen.
Ihre große Teiltrommel hat einen Durchmesser von 480 mm und
erlaubt das unmittelbare Teilen in alle Zähnezahlen zwischen 2
und 100 und darüber hinaus in viele gebräuchliche Teilungen bis
einschließlich 500. Eine Schraubenverzahnung am oberen Rand
der Teiltrommel von 1000 Zähnen erlaubt es, bis zu 1000 gleiche
Teile zu teilen, einschließlich aller Primzahlen [ Abb. 5.23 ] .
 
 
 
 
 
Search WWH ::




Custom Search