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Bogen ist durch zwei parallele Linien strukturiert. An den
Außenkanten des Bogens wurde die Bronzeplatte mit feinen
Schraffuren versehen.
Phase 4 Als die Scheibe vergraben wurde, fehlte bereits
der linke Horizontbogen. Außerdem hatte man am Rand der
Scheibe 40 sehr regelmäßige und etwa drei Millimeter große
Löcher angebracht.
Die Himmelsscheibe besitzt einen Durchmesser von ca.
32 cm. In der Mitte hat sie eine Stärke von ca. 4,5 mm und am
Rand eine Stärke von 1,7 mm. Ihr Gewicht beträgt ca. 2 kg.
Bei ihrer Ausgrabung durch die Räuber wurde sie am Rand
sowie an der großen runden Scheibe beschädigt.
In technologischer Hinsicht ist die Himmelsscheibe im
mitteleuropäischen Raum wohl einzigartig. Zu ihrer Her-
stellung waren viele Arbeitsgänge notwendig. Der Kupfer-
rohling wurde durch kaltes Ausschmieden auf seine Größe
gebracht. Hierzu musste mehrmals zwischengeglüht werden,
um Rissbildungen zu vermeiden. Die Goldeinlagen wurden
durch Tauschierungen eingefügt, wie sie im frühbronzezeit-
lichen Mitteleuropa selten sind. Aus Sicht der Informatik ist
die Himmelsscheibe der älteste miniaturisierte Datenspeicher
für astronomische Daten.
Somit konnten der 1. Mai, der 21. Juni und der 21. Dezember
kalendarisch bestimmt werden.
Die 32 kleinen kreisförmigen Goldplättchen werden als
Sterne interpretiert. Sieben von ihnen werden als das Sieben-
gestirn der Plejaden gedeutet. Legt man die zuvor geschil-
derte Ausrichtung hinsichtlich der Landmarken zugrunde,
so sind die Plejaden am Westhimmel abgebildet. Die letzte
Sichtbarkeit der Plejaden am Abendhimmel im Westen ist
am 9. März. An dem Ort ihres Verschwindens wird dann die
junge Mondsichel erstmalig sichtbar. Die letzte Sichtbarkeit
am Morgenhimmel im Westen ist am 17. Oktober, an dem
Vollmond herrscht. Beide Termine bilden traditionell das bäu-
erliche Jahr zwischen Beginn der Aussaat und Ende der Ernte.
Interpretiert man die Sichel als Märzsichel und den großen
Kreis als Oktobervollmond, so hat man eine Konstellation,
wie sie nur auf der geograischen Breite Mitteldeutschlands
vorkommt.
Die übrigen 25 Sterne sind verstreut auf der Himmels-
scheibe angebracht. W. Schlosser von der Ruhr-Universität
Bochum interpretiert sie als ein „geordnetes Chaos“, welches
den Sternenhimmel an sich darstellen soll. N. Gasch verweist
in einer Untersuchung jedoch darauf, dass die Anordnung ei-
nige Symmetrien aufweist. Legt man die Achse, die durch
den am weitesten links stehenden und später versetzten Stern
und den Mittelpunkt der großen Scheibe verläuft, als Nord-
Süd-Achse fest, so lassen sich die Auf- und Untergangsazi-
muten einiger der hellsten Sterne interpretieren. Damit hätten
sie die Bedeutung von Visierungspunkten. Die Symmetrie
würde sich bei dieser Interpretation aus der Beobachtung
von Auf- und Untergang des jeweils gleichen Sterns ergeben
( Abb. 4.13 ) .
Des Weiteren könnte mit der Himmelsscheibe von Nebra
das bereits erwähnte Problem der unterschiedlichen Längen
des Mondjahres (siderisches Mondjahr) und des Sonnenjah-
res von den damaligen Menschen gelöst worden sein. Die
älteste bekannte Korrekturregel indet sich in einem babylo-
nischen Keilschrifttext, dem mul‑apin (7./6. Jh. v. Chr.). Sie
besagt: „Wenn im Frühlingsmonat, mit dem das Jahr beginnt,
eine Neumondsichel bei dem Siebengestirn, den Plejaden,
steht, dann ist dies ein gewöhnliches Jahr. Steht jedoch in
diesem Monat erst am dritten Tag der Mond bei den Plejaden
in Form einer dickeren Sichel, dann füge einen Schaltvorgang
ein.“ Mondsichel und Plejaden beinden sich auf der Scheibe.
Korrespondiert die Dicke der Sichel auf der Scheibe mit der
Mondsichel am Himmel und beindet diese sich im Frühjahrs-
monat bei den Plejaden, so muss der Schaltmonat eingefügt
werden. Damit hatten die Schöpfer der Himmelsscheibe diese
Erkenntnisse bereits 1000 Jahre früher gekannt und auf der
Scheibe verschlüsselt.
N. Gasch hat noch weitere Übereinstimmungen festgestellt.
Visiert man vom Mittelpunkt der großen Scheibe die Ränder
der beiden Randbögen an, die in ihrer Länge nicht identisch
sind, so erhält man 66° und 109°. Sie markieren damit die
4.2.3
Daten und Berechnungsmöglichkeiten
Hinsichtlich der auf der Himmelsscheibe gespeicherten Infor-
mationen und den dadurch gegebenen Berechnungsmöglich-
keiten gilt einiges als gesichert, anderes aber als spekulativ.
Der Mittelberg, auf dessen Kuppe die Himmelsscheibe
gefunden wurde, ist ein Hügel von 252 m Höhe. Auf ihm
legten die Archäologen Bauten frei, die möglicherweise die
Reste einer der ältesten Sternwarten der Welt sind. Sie muss
sehr lange in Gebrauch gewesen sein, denn in der Eisenzeit
wurde sie noch mit einem Wall umgeben.
Das Besondere ist die Lage des Mittelbergs. Man geht
davon aus, dass während des Gebrauchs der Anlage die
Bergkuppe gerodet war, sodass man freie Sicht hatte. Von
Mittelberg aus sind in der Ferne zwei markante Landmarken
sichtbar: der Brocken im Harz im Nordwesten und der Kyff-
häuser mit dem Kulpenberg etwas westlich des Brocken. Vom
Mittelberg aus gesehen geht am Tage der Sommersonnen-
wende (21. Juni) die Sonne genau über dem Brocken unter,
während am 1. Mai, dem Tag nach der Walpurgisnacht, die
Sonne hinter dem Kyffhäuser versinkt. Der rechte noch er-
haltene Horizontbogen bildet mit dem Mittelpunkt der Him-
melsscheibe einen Winkel von ca. 82°. Dies entspricht genau
dem Winkel zwischen dem Ort des Sonnenuntergangs zur
Sommersonnenwende und dem Ort des Sonnenuntergangs
zur Wintersonnenwende. Hält man daher die Scheibe waa-
gerecht und visiert mit dem rechten Rand des Horizontbo-
gens den Brocken an, so zeigt der linke Rand auf den Ort des
Sonnenuntergangs am 21. Dezember (Wintersonnenwende).
 
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