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Der Court of Exchequer, der staatliche Rechnungshof, be-
stand aus mehreren Abteilungen. In der Hauptstelle verwal-
teten die Sheriffs die Einnahmen und rechneten mit Bürgern
und Beamten sowie mit der Krone ab. Der Tisch dort war
mit einem schachbrettartig gewürfelten Rechentuch bedeckt,
nach dem der ganze Rechnungshof seinen Namen erhielt.
An ihm trug der Sheriff dem Schatzmeister (Treasurer) Pos-
ten für Posten vor, und Posten für Posten legte der Rechner
(Calculator) sie in Calculi auf das Rechentuch und stellte
so die Endsumme fest. Über die Zahlung oder die Schuld
schnitt der Kerbholzwart (Cutter) ein tally. Der ganze Rech-
nungsvorgang wurde von Beisitzern und hohen Beamten
beobachtet und geprüft. Mit Calculi und Kerbholz war er
von jedermann ohne die Kunst des Lesens und Schreibens
zu verstehen. Schon um 1300 wurden in England die tallies
von der Staatskasse auch als Wechsel ausgegeben. So erhielt
der Kellermeister Edwards I. einmal statt einer Zahlung ein
tally als Anweisung auf einen Bürger von London. Von die-
sem, der selbst Schuldner der Staatskasse war, konnte er den
aufgekerbten Betrag einziehen. Auf diese Weise enthob sich
der Staat der lästigen Eintreibung von Schulden und befrie-
digte gleichzeitig seine Gläubiger: ein bargeldloser Verkehr
mit Kerbhölzern als Wechsel und Scheck.
Lieh jemand der Englischen Bank Geld, so wurde über
den Betrag ein tally geschnitten, von dem die Bank die Ein-
lage foil behielt und der Gläubiger den stock bekam. Er
wurde ein stockholder und besaß einen Bank-stock, was
also einem staatlichen Wertpapier entspricht. Daher kommt
der heutige Ausdruck „stocks“ für Aktien oder Staatsan-
leihen.
Erst im Jahre 1834 wurde dieses altertümliche Verfahren
durch eine Steuerreform abgeschafft. Eine große Zahl von
Kerbhölzern war nun überlüssig geworden, und am 16. Ok-
tober 1834 entschloss man sich fahrlässigerweise, diese im
Hof des Parlamentsgebäudes Palace of Westminster zu ver-
brennen, welches daraufhin selbst von den Flammen erfasst
wurde und größtenteils abbrannte. Die Abschaffung der Kerb-
hölzer kostete somit im Nachhinein den englischen Steuer-
zahlern noch viele Steuergelder.
Die lange Verwendung der Kerbhölzer beruhte auf der
relativ hohen Fälschungssicherheit dieses Speichermedi-
ums. Die Hölzer wurden als Doppelhölzer erstellt, d. h. der
zu speichernde Wert wurde doppelt, einmal links und ein-
mal rechts, aufgetragen. Im freien Bereich wurde die Iden-
tität des Schuldners eingetragen und die Restläche durch
eine Markierung gesperrt. Das Doppelholz wurde anschlie-
ßend in der Mitte durchgeschnitten und je ein Teil verblieb
beim Geldgeber und beim Schuldner. Neue Marken konnten
nicht hinzugefügt werden, da kein freier Platz mehr vorhan-
den war. Das Löschen einer Marke konnte sofort durch die
Veränderung des Holzes erkannt werden. Außerdem konnte
keines der beiden Teile durch ein neues ersetzt werden, da
die beiden dann in der Mitte nicht mehr zusammenpassten.
In welch großem Umfang früher die Kerbhölzer in der
Buchführung und bei Rechtsstreitigkeiten eine Rolle gespielt
haben, belegen die zahlreichen Redewendungen, die auf das
Kerbholz zurückgehen. So sagt man im Deutschen „etwas
auf dem Kerbholz haben“, wenn jemand an etwas Schuld
hat. Eine Schuld „glattstellen“ kommt vom Ausschneiden
der Kerben, wenn die Schuld beglichen wurde. Hierauf geht
auch der römische Ausdruck tabula rasa (abgeschabte Tafel)
zurück.
3.4
Besondere Zahlen
3.4.1
Die Zahl „Null“
Mit der Zahl „Null“ hatten die Menschen lange Zeit ihre Pro-
bleme. Vielleicht liegt der Grund hierfür darin, dass die Null
mehrere Bedeutungen haben kann.
Die Null im Sinne von „nichts“ war allen Menschen ver-
traut. Hatte ein Mann fünf Ziegen und verkaufte sie, so hatte
er keine mehr. Eine andere Bedeutung hat die Null als Leer-
zeichen auf Rechenbrettern, wenn eine Spalte leer ist. Hierfür
benötigt man kein spezielles Wort oder Zeichen, das Nichts
wird durch die Leerspalte abgebildet.
Die dritte Bedeutung der Null tritt bei Zahldarstellungen
auf, bei denen die Stellung der Ziffern die Bedeutung ergibt.
Betrachten wir die Zahl 205, so ergibt sich ihre Bedeutung zu
×+×+× .
Die Null ist hier ein Zeichen, das da sein muss, um auszu-
sagen, dass an dieser Stelle nichts da ist. Die ersten, die für
die Null ein spezielles Zeichen einführten, waren die Inder.
Auf einer Inschrift an der Wand eines Tempels in der Nähe
von Gwalior (unweit von Lashkar/Mittelindien) indet sich
die älteste Darstellung einer Null ( Abb. 3.17 ).
2 100 01051
Abb. 3.17 Die Inschrift von Gwalior. Die Darstellung der Null durch
Ο in der Zahl 270 ist mit gekennzeichnet. In der ersten Zeile bei
steht die Jahreszahl 933 (≈ 870 n. Chr.). In der fünften Zeile bei
steht die Zahl 187
In der Inschrift indet sich in Wort und in Brahmi-Ziffern
die Jahreszahl 933 (in unserer Zeitrechnung 870 n. Chr.). Auf-
geführt sind in der Inschrift vier Schenkungen an den Tempel.
Eine der Schenkungen ist ein Landstück, welches beschrieben
wird mit:
 
 
 
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