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Jean de Heinzelin de Braucourt nahe der kongolesisch-
ugandischen Grenze am Nordwestufer des Eduardsees
gefunden. Nach den letzten Analysen wird Ishango dem
Jungpaläolithikum zugerechnet, d. h. sein Alter dürfte bei
etwa 20.000 Jahren liegen. Der Ishango-Knochen ist ein
ungefähr 10 cm langer, gekrümmter Tierknochen von ova-
lem Querschnitt. An seinem schmaleren Ende ist ein Stück
Quarz angebracht.
doch nur ein Kerbholz. Aber vielleicht wird dieses Rätsel
doch noch gelöst. Auf seinem Sterbebett hat de Henzelin
gestanden, dass er seinerzeit zwei gekerbte Knochen ge-
funden habe. Dieser zweite Knochen ist jedoch bis heute
verschollen. Sollte er wieder auftauchen, so könnte er das
Rätsel lösen.
Abb. 3.15 Der Ishango-Knochen
Inzwischen interpretieren mehrere Wissenschaftlicher
den Ishango-Knochen nicht mehr als reines Kerbholz, son-
dern als das älteste mathematische Fundstück. Sie verwei-
sen auf die besondere Art der Kerbung ( Abb. 3.16 ). Die
Spalten enthalten unterschiedliche Gruppen, die selbst wie-
der aus Kerben von drei verschiedenen Längen aufgebaut
sind. Die mittlere Spalte umfasst Gruppen aus 3 und 6, 4
und 8, 10 sowie 5 und 5 Kerben. Die beiden anderen Spal-
ten enthalten der Reihe nach 11, 21, 19 und 9 sowie 11, 13,
17 und 19 Einkerbungen.
Heinzelin selbst interpretierte die Kerben als Speicherung
spezieller mathematischer Zahlen: Die Kerben der rechten
Spalte repräsentieren 10 + 1, 20 + 1, 20 − 1 und 10 − 1. Die
Kerben der linken Spalten geben die Primzahlen zwischen
10 und 20 wieder. Die mittlere Spalte gibt in etwa Verdopp-
lungen wieder.
A. Marshack , ein Ethnologe der Harvard-Universität, in-
terpretierte 1972 die Kerben als Mondkalender: Die Summe
der beiden äußeren Spalten sind jeweils 60, d. h. sie entspre-
chen zwei Mondmonaten. Die mittlere Spalte enthält 48 Ker-
ben, also eineinhalb Mondmonate.
D. Huylebrouk , Dozent an der Hochschule für Kunst und
Wissenschaft in Brüssel, interpretierte die Kerben als Zahldar-
stellungen in einem gemischten System mit den zwei Basen 6
und 10. Dann passen die Zahlen aus der rechten Spalte in das
Zehnersystem: 9 = 10 − 1, 11 = 10 + 1,19 = 2 × 10 − 1 und
21 = 2 × 10 + 1. Die Zahlen in der linken Spalte sowie in der
mittleren Spalte unten ergeben im Sechsersystem: 5 = 6 − 1,
7 = 6 + 1, 11 = 2 × 6 − 1, 13 = 2 × 6 + 1, 17 = 3 × 6 − 1 und
19 = 3 × 6 + 1.
Bei all diesen Interpretationen wird allerdings den un-
terschiedlichen Größen der Kerben keine Bedeutung un-
terstellt. Es könnten damit auch verschiedene Tiere oder
Gegenstände symbolisiert worden sein und der Knochen ist
Abb. 3.16 Schematische Darstellung der Einkerbungen am Ishango-
Knochen
In vielen Gegenden haben sich Kerbhölzer bis in unsere
Zeit erhalten. Teilweise haben sie Rechtswert erhalten, wenn
auf der Basis der Einkerbung eine Forderung beruhte. So
existiert im fränkischen und alemannischen Volksrecht die
festuca , ein Stab, der bei Zahlungsversprechungen zwischen
den Beteiligten gewechselt wurde. Wurde die aufgekerbte
Schuld beglichen, dann wurde das Kerbholz entweder ver-
nichtet (verbrannt) oder die Kerben ausgeschnitten, d. h. das
Holz geglättet.
Noch 1804 werden die Kerbhölzer als Beweismittel im
napoleonischen Code civile aufgeführt. In der Alpenregion
haben sich Kerbhölzer in Form von „Milchstäben“ bis in das
20. Jh. gehalten. Auch das heute noch übliche Aufschreiben
von bestellten Getränken auf Bierdeckeln in Form von Stri-
chen und Kreuzen ist ein Relikt aus der Zeit der Kerbhölzer.
Auch in England wurden die Kerbhölzer amtlich. Bereits
ab dem 12. Jh. führte die englische Staatskasse ihre Rechnun-
gen mit Buch und Kerbholz, „exchequer tallies“ genannt, und
das fast unverändert bis in die zwanziger Jahre des 19. Jh.s!
Daher bildete sich von tally das Wort für „Steuer“, tailage
oder tallage, ähnlich wie frz. taille.
 
 
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