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der verschiebbare Ringe, die auf andere Himmelskörper und
auf die Planeten hinwiesen.
Das eigentliche Räderwerk basiert auf einer Vielzahl von
Zahnrädern in 60°-Verzahnung. Diese Verzahnung hat zwar
keinen guten Wirkungsgrad, stellt jedoch angesichts der Tat-
sache, dass über derartige Zahnradtechniken bei den Griechen
keinerlei andere Kunde existiert, eine weitere echte Sensation
dar.
Zahnradtechniken waren den Griechen zwar bekannt, aber
sie wurden nur in relativ simplen Anwendungen benutzt. Sie
verwendeten Zahnradpaare, um z. B. in einer Wassermühle
Kraft in einem rechten Winkel zu übertragen.
Als der ehemalige Minister und Hobbyarchäologe Spyri‑
don Stais am 17. Mai 1902 die Fragmente sah, sich an de-
ren Untersuchung machte und kurz darauf seine Ergebnisse
veröffentlichte, wurden zunächst von vielen Fachleuten die
Ergebnisse und die Datierung angezweifelt. Selbst von Fäl-
schung wurde gesprochen.
Dennoch sind die Authentizität und die Datierung inzwi-
schen gesichert. Sowohl die gefundenen Münzen als auch die
Beschriftung des Gehäuses lassen die Datierung des Räder-
werks auf ca. 70-80 v. Chr. ansetzen.
Diese Datierung wird auch durch die übrigen Kunstwerke
gestützt, die sich ebenfalls an Bord befanden. Hierzu gehör-
ten eine Statue des Paris aus Bronze, den bronzenen Kopf
eines Philosophen sowie drei Epheben (Jünglinge), eine Kore
(Jungfrau), zwei Statuen der Aphrodite, zwei Statuen und ei-
nen Kopf des Hermes, zwei Statuen des Herakles, vier des
Apollon, eine des Zeus, eine des Philoktetes, zwei des Odys-
seus, eine des Achilles sowie die vier Pferde einer Quadriga
samt weiterer Fragmente, die heute alle im Archäologischen
Nationalmuseum in Athen zu sehen sind.
Die Untersuchungen brachten auch die Tatsache zutage,
dass das Gerät tatsächlich in Betrieb war. Man fand z. B. zwei
Stellen im Getriebe, die repariert worden waren. So ist etwa
ein Zahn ersetzt worden. An anderer Stelle wieder ist offenbar
die Speiche eines Zahnrads gebrochen gewesen und schließ-
lich durch sorgfältige Einfügung wieder ersetzt worden.
Der Fund bleibt auch dann ein einmaliger Glücksfall,
wenn man heute feststellen muss, dass die Behandlung des
kostbaren Funds von Anfang an durch zahlreiche Fehler ge-
kennzeichnet war. So zeriel etwa der Holzkasten, in dem sich
das Räderwerk befunden hatte, vollständig, da man nicht die
heute üblichen Konservierungsmaßnahmen traf, mit denen
man jetzt hölzerne Funde und Schiffswracks vom Meeresbo-
den vor dem weiteren Verfall bewahrt.
Der überraschende Fund von Antikythera zeigt, dass es
theoretische und technologische Erkenntnisse und Fertigkei-
ten bereits zur Zeit Christi gab, die man bis zu diesem Fund
nicht für möglich gehalten hatte.
Inzwischen sind einige weitere Analysen erfolgt, so z. B.
von Derek de Solla Price, die beweisen, dass das Räderwerk
von Antikythera von extrem komplexer arithmetischer Kon-
zeption war, bei der bekannte astronomische Relationen und
insbesondere Perioden mithilfe von Zähneanzahlen realisiert
wurden. Es enthält sogar Reste eines Differenzialgetriebes
(zur Bildung von Differenzen), wie es erst 1832 in England
zum Patent angemeldet wurde.
Die Erkenntnisse und Fähigkeiten, die die Schöpfer des
Räderwerks von Antikythera besaßen, sind in der Folgezeit
größtenteils verlorengegangen.
Erst mehr als 1000 Jahre später soll durch Al Biruni im
arabischen Raum ein Räderwerk erbaut worden sein, welches
vergleichbar mit dem von Antikythera war. Dieses Räderwerk
ist jedoch nicht erhalten; seine Existenz und seine Fähigkeiten
werden nur in verschiedenen Berichten erwähnt. Ob Al Biruni
auf alte Überlieferungen zurückgegriffen hat oder ob es sich
hierbei um eine Neukonstruktion handelte, ist nicht bekannt.
Die Konstruktion von Al Biruni ist jedoch kennzeichnend für
die Tatsache, dass sich die Fortschritte in der Mathematik, der
Astronomie und der Technik zur damaligen Zeit überwiegend
im arabischen Raum abspielten.
2.2
Die Erforschung des Räderwerks
Nachdem das Räderwerk entdeckt wurde, begann man
nach einigen Monaten damit, es zu identiizieren und seine
Funktionen zu erforschen. Einige Dinge waren von Beginn
an klar. Die einzigartige Wichtigkeit des Objekts war of-
fensichtlich und das Getriebe war eindrucksvoll komplex.
Aufgrund der Inschriften und der Zifferblätter ist der Me-
chanismus korrekt als ein astronomisches Gerät identiiziert
worden. Die erste Mutmaßung war, dass es sich hierbei um
eine Art Navigationsinstrument, vielleicht ein Astrolabium,
handelte. Einige dachten, dass es möglicherweise ein klei-
nes Planetarium sein könne, derart, wie Archimedes eines
erstellt haben soll.
Eine genaue Untersuchung wurde aber erst 1958 durch den
Engländer Derek del Solla Price - Professor für Wissenschafts-
geschichte an der amerikanischen Yale University - vorgenom-
men, der beim Studium der Geschichte wissenschaftlicher Ins-
trumente auf den Mechanismus im Athener Museum gestoßen
war. Er war sofort von dem Räderwerk begeistert ( Abb. 2.7 ) :
Abb. 2.7 Derek del Sollo Price
 
 
 
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