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Eine weitere Materialfamilie besteht aus den ebenfalls vollständig petrochemischen aliphati-
schen Polyestern Polybutylensuccinat (PBS, siehe dazu auch Kap. 7.2.1) und Polybutylensuc-
cinat-adipat (PBSA), deren Kompostierbarkeit ebenfalls zertifiziert ist und die sich auch in
Frisch- und Meerwasser zersetzen [69]. Für diese Materialien ist eine Zersetzung in CO 2 und
Wasser nach den entsprechenden Normen [64], [68], [70] nachgewiesen. Dieser Zerfall ist
sinnvoll im Hinblick auf mögliche Kunststoffeinträge in die Umwelt, die im folgenden Kapitel
diskutiert werden. Im Allgemeinen ist fraglich, ob tatsächlich eine vollständige Zersetzung von
Kunststoffen in Wasser und Kohlendioxid erfolgt, da in den Kunststoffen Additive enthalten
sein können, die im Hinblick auf die Abbaubarkeit berücksichtigt werden müssen, wenn ihr
Anteil mehr als 1 % beträgt (siehe folgendes Kapitel). Dies ist z. B. dann relevant, wenn kom-
postierbare Kunststoff-Mulchfolien aus abbaubaren Kunststoffen zum Einsatz kommen, die
nach der Nutzung untergepflügt werden. Bei dieser Materialfamilie (PBS, PBSA) wurden in-
zwischen petrochemische Komponenten mit bis zu 60 % durch biogene Komponenten ersetzt.
Eine problematische Gruppe sind die sogenannten „oxo-abbaubaren“ Kunststoffe, die teilweise
im Zusammenhang mit Kompostierbarkeit genannt werden. Bei diesen klassischen thermoplas-
tischen Polymeren wie PE, PP, PS, PET und auch PVC werden Additive wie Kobalt-, Mangan-
und Eisenverbindungen zugefügt, die einen Zerfall der makroskopisch wahrnehmbaren Pro-
dukte in kleinere Fragmente bewirken. Dabei entstehen nicht mehr sichtbare Partikel, die sich
möglicherweise weiter zersetzen können. Dieser chemisch-induzierte Fragmentierungsprozess
ist aber kein biologischer Abbau im oben beschriebenen Sinne, auch wenn durch geeignete
Additivkonzentrationen die Bildung sehr kleiner Fragmente induziert werden kann. Die gebil-
deten Fragmente solcher hydrophober Thermoplaste unterliegen keinem schnellen biologischen
Abbau, sind in der Natur vergleichsweise persistent und können beispielsweise im Meer von
Meereslebewesen aufgenommen werden (siehe Kap. 2.6). Da die Fragmentierung z. B. durch
Wärme oder UV-Strahlung induziert wird, kann dadurch die Stabilität von oxo-abbaubaren
Lebensmittelverpackungen und damit die Lagerstabilität der Lebensmittel nachteilig beein-
flusst werden. Auch Branchenverbände sehen diese Materialien aus den genannten Gründen
sehr kritisch [71].
Generell ist auch der ökologische Sinn einer großtechnischen Umsetzung der Kompostierung
von biologisch abbaubaren Kunststoffen zu diskutieren, wenn schon nach kurzer Zeit mehr als
90 % des Kohlenstoffs aus dem Ausgangsmaterial in CO 2 umgewandelt sind. Bei der Nutzung
von Biokunststoffen (siehe Bild 43 rechts) sind die Kohlenstoffatome des Biokunststoffs im
Idealfall komplett biogenen Ursprungs und werden bei der Kompostierung - sofern sie nicht in
Huminstoffe umgewandelt werden - wieder zu CO 2 , leisten somit in erster Näherung keinen
CO 2 -bilanziellen Beitrag. Außerdem stellt sich die Frage, inwieweit bei der Kompostierung
thermische Energie in nennenswerter Menge gewonnen werden kann. Im Fall des petrochemi-
schen Kunststoffs ist die Bilanz einer Kompostierung noch schlechter, denn fossiler Kohlen-
stoff wird mit nicht-optimaler Energieausbeute überwiegend in CO 2 umgewandelt. Wenn bei
der Kompostierung ohnehin 90 % und mehr des enthaltenen Kohlenstoffs in CO 2 umgewandelt
werden ist also in beiden Fällen eine dem stofflichen Leben nachgelagerte energetische Nut-
zung in Verbrennungsanlagen sinnvoller. Im Zusammenhang mit den in diesem Kapitel dis-
kutierten Fragestellungen sind auch die Kap. 2.6 Biologische Abbaubarkeit / Kompostierung,
2.7 Der Kohlenstoffkreislauf und 2.8 Nutzungskonzepte für Werkstoffe von Bedeutung.
 
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