Environmental Engineering Reference
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Für biogene Werkstoffe bzw. im Besonderen Biokunststoffe, die überwiegend noch deutlich
teurer sind als die etablierten Massenkunststoffe, ist es noch relativ schwierig, in ökonomischer
Hinsicht zu konkurrieren. Die zunehmende Verknappung fossiler Rohstoffe und Fortschritte
auf dem Gebiet der Herstellung und Verarbeitung von Biokunststoffen und damit sinkende
Preise werden zukünftig zu einem Anstieg der Nutzung von Biokunststoffen und biogenen
Werkstoffen als Alternativen zu etablierten Werkstoffen führen. Hinzu kommt die Möglichkeit,
biogene Werkstoffe nach der stofflichen Nutzung einer thermischen Nutzung zuzuführen, wo-
bei sich in erster Näherung eine bessere CO 2 -Bilanz ergeben sollte (siehe dazu Kaskadennut-
zung im Kap. 2.8). Darüber hinaus bewegen sich Gesellschaft und Politik doch - wenn auch
langsam - dahin, dass Umwelteffekte und damit Kosten eines Produkts vermehrt dem Produ-
zenten und Nutzer übertragen werden und weniger der gesamten Gesellschaft. Diese Tendenz
kann zu einem Vorteil für biogene und ökologischere Werkstoffe werden, der zu einer breite-
ren Marktdurchdringung führen würde.
2.4 Biokunststoffe
Der Begriff „Biokunststoff“ wird bislang nicht in eindeutiger Form gebraucht. Im Sprachge-
brauch vieler Publikationen zu Biokunststoffen ist etabliert, von Biokunststoffen zu sprechen,
wenn es sich a) um Kunststoffe aus der Natur (biogene Kunststoffe) handelt oder b) um biolo-
gisch abbaubare Kunststoffe, die auch eine petrochemische Basis haben können. Diese weit
verbreitete aber diskussionswürdige Terminologie wird in einer Empfehlung des Europäischen
Normungsgremiums nun sogar noch ausgedehnt auf Polymere für die medizinische Anwen-
dung. Der Technische Bericht CEN/TR 15932 des Gremiums [61] schlägt vor, dass der Begriff
„Biokunststoff“ für drei deutlich verschiedene Stoffklassen gelten soll: Für biobasierte Kunst-
stoffe (begrifflich bezugnehmend auf die Rohstoffquelle), für biologisch abbaubare Kunststoffe
(bezugnehmend auf die Funktionalität) und für biokompatible Kunststoffe (bezugnehmend auf
die Verträglichkeit mit dem menschlichen oder tierischen Körper). Damit dürften stark ver-
schiedene Stoffe, wie biogene Kunststoffe aus biogenen Polymeren (z. B. Polyhydroxyalka-
noate, die von Bakterien gebildet werden), petrochemische aber abbaubare Kunststoffe, wie
aliphatische und aromatische Copolyester (z. B. Ecoflex®), sowie petrochemische Hochleis-
tungskunststoffe für medizinische Anwendungen wie Polyetheretherketon (PEEK) mit dem
Begriff „Biokunststoff“ bezeichnet werden. Andererseits gäbe es aber auch Stoffe wie Poly-
milchsäure, die in alle drei Kategorien (biogen, bio-abbaubar, biokompatibel) fallen.
Das Wort „ bios “ entstammt dem Griechischen und bedeutet „Leben“. Biokunststoffe, gewis-
sermaßen als Kurzform von „biogene Kunststoffe“ zu verstehen, sind, wenn man semantisch
konsequent bleiben will, demnach solche, die der belebten Natur entstammen. Petrochemische
Kunststoffe, die „lediglich“ biologisch abbaubar sind - unter industriellen, angepassten Bedin-
gungen, die in einer häuslichen Kompostierung oder der Umwelt so nicht erreicht werden wür-
den - könnten demnach nicht als Biokunststoffe verstanden werden, weil sie auf fossilen Res-
sourcen beruhen. Die biologische Abbaubarkeit bestimmter petrochemischer Kunststoffe
erscheint als marktrelevanter Mehrwert der Stoffe (siehe dazu Kap. 2.5 Biologisch abbaubare
petrochemische Kunststoffe und 2.6 Biologische Abbaubarkeit/Kompostierung). Diese Abbau-
barkeit ist auch im Hinblick auf Umweltaspekte, die beispielhaft in Kap. 2.6 dargestellt wer-
den, ein tatsächlicher Mehrwert. Es handelt sich bei solchen petrochemisch basierten Stoffen
aber nicht um Biokunststoffe, wenn der Begriff semantisch konsequent in Analogie zu den
klassischen Kunststoffen benutzt werden soll: Ein Kunststoff ist ein Werkstoff auf Basis eines
(meist organischen) Polymeren, wie am Anfang des Kap. 2.3 ausgeführt wird. Der Begriff
„Kunststoff“ ist normativ eindeutig definiert, als ein „Werkstoff, der als hauptsächlichen Be-
 
 
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