Environmental Engineering Reference
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gesundheitlich überlegenen Produkte in ökonomischer Hinsicht nicht mit den etablierten, kon-
ventionellen Produkten erfolgreich konkurrieren.
Anders ausgedrückt bedeutet dies: Etablierte nicht-biogene Produkte sind meist kostengünsti-
ger, ihre ökologische Last ist im Preis aber nicht abgebildet. Biogene Produkte können ökolo-
gisch besser sein, ihre ökologischen Vorteile sind aber oft mit Mehrkosten verbunden, z. B.
weil es sich um neue Entwicklungen handelt, die noch in geringen Volumina produziert wer-
den. Dieses Ungleichgewicht erschwert dann die Markteinführung ökologisch überlegener
biogener Produkte.
Trotz oft höherer Kosten gibt es vermehrt Konsumenten, die bereit sind, für eine bessere Öko-
logie von Produkten oder Vorteilen für die Gesundheit, die diese Produkte mit sich bringen,
höhere Preise zu bezahlen. Diese Konsumenten-Familie wird auch als LOHAS bezeichnet.
Menschen, die einen „Lifestyle of Health and Sustainability“ (Lebensstil der Gesundheit und
Nachhaltigkeit) verfolgen [1].
In diesem Zusammenhang stellt sich immer die Frage nach der Ökobilanz der Produkte. Ihre
Beantwortung führt zu maßgeblichen Aussagen über die ökologische Überlegenheit eines Pro-
dukts. Die Erstellung von Ökobilanzen ist aber schwierig, z. B. im Sinne der Festlegung der
Systemgrenze, d. h. der Festlegungen dessen was überhaupt bilanziert wird. Vor allem ist auch
die Bewertung der Ökobilanzen nicht immer trivial wie Praxisbeispiele zeigen. Wichtig ist
festzuhalten, dass Ökobilanzen erstellt werden müssen, denn biogene Produkte sind nicht per
se in ökologischer Hinsicht überlegen. Beispielsweise könnten die energetischen Aufwendun-
gen zur Herstellung biogener Produkte deren stofflichen Nutzen überkompensieren.
Grenzen von Ökobilanzen sind erreicht, wenn grundsätzliche Effekte von großem Gewicht
betrachtet werden. So gäbe es im Falle der ausschließlichen Nutzung von biologisch abbauba-
ren Kunststoffen keinen „pazifischen Plastikmüllstrudel“. Damit gäbe es auch nicht die Pro-
blematik sterbender Meerestiere oder Seevögel durch verschluckte Kunststoffpartikel oder
Kunststoffformteile und die Anreicherung von Schadstoffen in der Nahrungskette - bis hin
zum Menschen. Solche komplexen Effekte sind nicht bilanzierbar.
In einer zukünftigen Produktwelt werden voraussichtlich ökologische Aufwendungen, die
durch Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Produkten entstehen, vermehrt dem Verursa-
cher angelastet, sei es dem Endkunden oder dem Hersteller. Diese Tendenz zeigt sich schon in
der entsprechenden Gesetzgebung. Für langlebige Produkte wie Automobile ist es eine Per-
spektive, dass Endkunden nicht mehr das Produkt „Automobil“ kaufen, sondern „lediglich“ die
Mobilitätsdienstleistung. Bei diesem Ansatz würde das Fahrzeug am Ende der vereinbarten
Nutzungsdauer an den Hersteller zurückgegeben, der dann auch die Wiederverwertung der
Materialien durchführen muss und sich somit in einer anderen Situation im Hinblick auf die
Werkstoffnutzung wiederfindet. Durch die Altfahrzeug-Verordnung ist die Rücknahme von
allen Personenkraftwagen durch die Hersteller in Deutschland schon seit 2007 Pflicht. Ist eine
stoffliche Wiederverwertung für einen Stoff oder ein Stoffgemisch schwierig, kann eine ther-
mische Verwertung sinnvoll sein. Werden Materialien thermisch verwertet, ist der Anteil bio-
gener Komponenten neutral in Bezug auf den Kohlenstoffkreislauf.
Dieses Buch gibt einen Überblick über die gesamte Bandbreite aller biogenen Stoffe, die im
weitesten Sinne als Werkstoff genutzt werden. Die Darstellung zahlreicher unterschiedlicher
Stofffamilien, die Betrachtung von Herstellung bzw. Vorkommen, Struktur und Eigenschaften,
Anwendungen sowie ökonomischer und ökologischer Aspekte zeigt die Komplexität dieses
Gebiets. Es ist erforderlich, all diese Parameter in ihrem Zusammenwirken zu betrachten.
 
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