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30.000 g/mol. Man nimmt an, dass die bemerkenswerten viskoelastischen Eigenschaften (siehe
unten) auf das richtige Verhältnis von steifen aromatischen Strukturinkrementen und bewegli-
cheren Etherbindungen zurückzuführen sind. Auch der geringe Restwassergehalt des Lackes
hat einen Einfluss auf die Balance zwischen der Bildung von C-O-Bindungen und C-C-Bin-
dungen und damit auf die viskoelastischen Eigenschaften des Lackes [28].
Bei der Verarbeitung zur Herstellung von Lackobjekten muss der Lacksaft in vielen dünnen
Schichten aufgetragen werden, die nach dem Trocknen geglättet und mit Holzkohle und Wasser
poliert werden. Dabei werden typischerweise 20-30 Lackschichten schrittweise übereinander
geschichtet. Dies ist notwendig, da der Polymerisationsvorgang mit Laccase unter Sauerstoffver-
brauch sehr schnell abläuft und die vernetzte Lackschicht keinen Sauerstoff mehr durchlässt.
Eine zu dicke Lackschicht würde dadurch im Inneren unpolymerisiertes Urushiol beinhalten, was
für die Eigenschaften und insbesondere die Dauerhaftigkeit nachteilig wäre [28]. Eine vergleich-
bare Problematik wurde im Zusammenhang mit Casein-Kunststoffen (siehe Kap. 3.4) diskutiert.
Neben der Netzwerkbildung spielt auch der Gehalt an Polysacchariden eine zentrale Rolle bei
der Bildung einer mikroskopischen Struktur des ausgehärteten Lackes, die für die mechani-
schen Eigenschaften und die außerordentliche Dauerhaftigkeit verantwortlich ist. Die Polysac-
charide bestehen hauptsächlich aus Galactose, Arabinose, Xylose, Rhamnose, Galacturonsäure
und Glucuronsäure (siehe Kap. 4). Im wasserlöslichen Anteil liegen die sauren Polysaccharide
als Calcium-, Magnesium- und Natrium-Salze vor. Deren Molmasse steigt ebenfalls während
des Vernetzungsprozesses und es bildet sich nach einer Modellannahme ([32] zitiert in [28])
eine Dispersion der Polysaccharidpartikel in der Ölphase, die durch die Polymere des Urushi-
ols gebildet wird. Diese Überstruktur mit zellenartigem Charakter (siehe Bild 313) kann man in
mehrfacher Hinsicht als Ursache der außergewöhnlichen Eigenschaften ansehen. Zum einen
wird durch die Zellen oder Domänen aus polymerisiertem Urushiol, die von Polysacchariden
umgeben sind, eine Art mikroskopische Werkstoffmischung, d. h. letztlich ein Mikro-Verbund-
werkstoff gebildet (vergleiche Knochen, Kap. 3.1). Außerdem behindern die Domänengrenzen
zusätzlich das Eindiffundieren von Sauerstoff und tragen so wesentlich zur außergewöhnlichen
Alterungsstabilität der Lacke bei [28].
Bild 313 Modell der Zellenstruktur in ausgehärtetem Japanlack: Polymerisiertes Urushiol im Inneren der
ca. 0,1 µm großen Zellen wird durch einen Mantel aus polymerisierten Sacchariden vor dem Eindringen
von Luftsauerstoff und damit weiterer Vernetzung geschützt. Diese mikroskopische Verbundwerkstoff-
Struktur erklärt die außergewöhnlich konstanten viskoelastischen Eigenschaften von Japanlack (Darstel-
lung nach [32], zitiert in [28]).
 
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