Environmental Engineering Reference
In-Depth Information
Bild 240 Die beiden Stereoisomere D-(−)-Milchsäure (links) und L-(+)-Milchsäure (rechts).
Anwendungen
Milchsäure wird seit langem als Konservierungsmittel in der Lebensmittelindustrie eingesetzt
(Lebensmittelzusatzstoff E270), hier dominiert das Produkt aus der fermentativen Herstellung,
weil enantiomerenreine L-(+)-Milchsäure erforderlich ist. Die Aufnahme von D-(−)-
Milchsäure sollte vor allem für Kleinkinder begrenzt bleiben, da diese aufgrund eines Mangels
eines Enzyms D-(−)-Milchsäure nicht in gleichem Maße metabolisieren können wie L-(+)-
Milchsäure [6]. L-(+)-Milchsäure wird zu vielen Getränken als Säuerungsmittel, Konservie-
rungsmittel oder Geschmacksverstärker zugegeben. Natrium- und Kaliumlactat werden ver-
wendet, um die Haltbarkeit von frischem Fleisch und Wurstprodukten zu vergrößern; dadurch
können andere Konservierungsmittel reduziert oder ganz ersetzt werden.
In der pharmazeutischen Industrie wird Natriumlactat als Konservierungsmittel in Injektionslö-
sungen und Dialyse-Lösungen eingesetzt. In der Kosmetikindustrie kommen Milchsäure sowie
Milchsäure-Salze in Seifen, Shampoos und ähnlichen Produkten zum Einsatz. Milchsäure
kommt in der Lederherstellung, der Textilindustrie und bei Färbeprozessen zum Einsatz. Zahl-
reiche weitere Anwendungen finden sich in [6].
Die Umsetzung von Milchsäure zu Polymilchsäure für die werkstoffliche Nutzung, die in der
Folge ausführlich dargestellt wird, dürfte im Sinne von potentiellen Marktvolumina mittelfris-
tig die wichtigste Anwendung sein [2]. Neben der Umsetzung zu Polymilchsäure bietet Milch-
säure jedoch noch zwei weitere bedeutsame stoffliche Perspektiven: Milchsäure könnte als
Ausgangsstoff zur Herstellung von Propylenglykol (siehe Kap. 9.3) und Acrylsäure (siehe
Kap. 10.2) dienen, die wichtige Zwischenprodukte der chemischen Industrie sind. Für Propy-
lenglykol bestand 1996 eine weltweite Produktionskapazität von 1,4 Millionen Jahrestonnen
und für Acrylsäure im Jahr 1999 2,9 Millionen Jahrestonnen [5]. Propylenglykol ist ein wichti-
ger Rohstoff z. B. zur Herstellung von Polyesterharzen (siehe Kap. 8) und Acrylsäure dient
beispielsweise zur Herstellung von Superabsorbern und Acrylatestern [17] - klassische werk-
stoffliche Anwendungen von Kunststoffen. Der Transfer auf eine biogene Rohstoffbasis wäre
ein wichtiger Schritt, der mit Fortschritten und Kostensenkungen bei der fermentativen Milch-
säure-Herstellung und steigenden Rohölpreisen immer realistischer wird.
Ökonomische Aspekte
Die weltweite Produktionskapazität für Milchsäure betrug im Jahr 2010 ca. 470.000 t/a [6]. Un-
gefähr 150.000 t werden für die Anwendung nur in der Lebensmittelindustrie pro Jahr auf fer-
mentativem Weg hergestellt [18], klassische Anwendungen insgesamt machen ca. 260.000 t/a
aus [6]. Die größte Fertigungsstätte mit einer Kapazität von 140.000 t/a produziert Milchsäure
ausschließlich für die Herstellung von Polymilchsäure. Die tatsächlich produzierte Menge an
Milchsäure und deren Derivate (ohne PLA) ist seit 1989 jährlich um ca. 10 % angestiegen [6].
In den letzten zwei Jahrzehnten gab es also einen großen Anstieg der Milchsäure-Produktion
für andere Anwendungen als PLA - es ist aber davon auszugehen, dass die Herstellung von
Polymilchsäure schon bald die größte Einzelanwendung für Milchsäure ist [2]. Studien bezif-
fern die Produktionskapazitäten von PLA im Jahr 2020 auf 800.000 bis 950.000 t [19].
 
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