Environmental Engineering Reference
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Ökologische Aspekte
Lignin aus der Zellstoffherstellung ist ein Reststoffstrom, der neben der thermischen Verwer-
tung auch einer höherwertigen Verwertung als Matrix für Biokunststoff-Formulierungen zuge-
führt werden kann. Damit ist diese Anwendung - im weitesten Sinne - eines der seltenen Bei-
spiele für das sogenannte Upcycling eines Reststoffes, d. h. die Verwertung eines Stoffes auf
einer höheren Wertschöpfungsstufe. Vergleichbar ist diese Situation mit der Nutzung von Rest-
stoffen aus der Lederherstellung zur Produktion von Wursthüllen aus Kollagen.
Da Lignine als Nebenprodukt der Zellstoffproduktion aus Hölzern entstehen, bieten die als
Reststoff verfügbaren Lignin-Mengen noch einen großen Spielraum in der stofflichen Nutzung
für neue Anwendungen, ohne dass Engpässe entstehen und neue Quellen erschlossen werden
müssen, die dann ggf. wieder in Nahrungsmittelkonkurrenz stehen. Die stoffliche Nutzung von
Lignin ist damit ebenfalls eines der seltenen Beispiele für einen biogenen Werkstoff mit gro-
ßem Potential, außerhalb der Nahrungsmittelkonkurrenz-Problematik.
Lignin-basierte Biokunststoffe und Werkstoffe können nach ihrem stofflichen Leben einer
energetischen Verwertung zugeführt werden, wenn sonstige Inhaltsstoffe der Werkstoffe dem
nicht im Weg stehen. Diese sogenannte Kaskadennutzung (siehe Bild 53) setzt aus dem bioge-
nen stofflichen Beitrag nur so viel CO 2 frei wie zuvor von den Pflanzen gebunden wurde.
Tabelle 87 Werkstoffprofil Lignin.
Stärken:
Schwächen:
biogenes duroplastisches Bindemittel
Reststoff der Papierherstellung
große Mengen verfügbar
vergleichsweise kostengünstig
Anwendungen mit äußerst hohem Potential (Holzwerk-
stoffplatten) prototypisch erfolgreich umgesetzt…
…aber noch nicht im Markt etabliert
6.2.2 Exkurs: Phenol-Formaldehyd-Harze
Phenolharze sind Kunstharze, die durch eine Kondensationsreaktion (unter Wasserabspaltung)
von Phenolen und Aldehyden, insbesondere Formaldehyd, gebildet werden können [67]. Diese
Polykondensationsreaktion, d. h. eine Polymerisation unter Wasserabspaltung, war 1872 von
Adolf von Bayer entdeckt worden und durch Leo Hendrik Baekeland so weiterentwickelt wor-
den, dass sich industriell nutzbare Formmassen herstellen ließen [13], [80]. Der Durchbruch
bei der Entwicklung dieser Technologie ist mit dem Jahr 1909 verbunden, weshalb man es als
Geburtsjahr der petrochemischen duroplastischen Kunststoffe bezeichnen kann. Baekeland
gelang es, die Kondensation bis zu einem Polymerisationsgrad zu führen, der eine handhabbare
Formmasse ergab, die der Anwender, d. h. der Verarbeiter, durch eine weitere Polymerisations-
reaktion zum einem für den Verbraucher nutzbaren Formteil umsetzen konnte. Man spricht bei
der „handhabbaren Formmasse“ von Halbzeug und in Bezug auf den Polymerisationsgrad im
Englischen von „B-staging“, d. h. man hat es mit einem präpolymerisierten Zustand zu tun
(A-stage: unvernetzt, C-stage: nahezu vollständig vernetzt).
Dies ist sehr bedeutsam, weil sich auch bei allen biogenen Duroplasten, mit denen etablierte
petrochemische Systeme ersetzt werden sollen, die Notwendigkeit ergibt, dieses Polymerisa-
tionsverhalten nachzustellen. Denn erstens sollen sich - wenn Halbzeuge hergestellt werden -
für den Verarbeiter handhabbare Formmassen ergeben, die - so meist die Forderung - in den
 
 
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