Environmental Engineering Reference
In-Depth Information
Naturkautschuk zeigt schon im nicht-vulkanisierten, d. h. unvernetzten Zustand, ein außerge-
wöhnliches Elastizitätsverhalten. Rohkautschuk kann um 800-1000 % gedehnt werden, dabei
nimmt die erforderliche Kraft mit abnehmender Temperatur zu. Insbesondere beobachtet man
eine Dehnungskristallisation [2], [6], die z. B. über die Änderung von Röntgenbeugungsmus-
tern nachgewiesen werden kann [5]. Bei der Dehnungskristallisation geht der bei Raumtempe-
ratur weitgehend elastische und amorphe Kautschuk, der ungeordnete und frei bewegliche aber
an Haftpunkten miteinander verknäulte Ketten aufweist, in eine teilkristalline Struktur über.
Molekülketten ordnen sich parallel zueinander an und führen zu einem selbstverstärkenden
Effekt durch diese Parallelanordnung. Wird die von außen wirkende Kraft aufgehoben erfolgt
eine weitgehende Rückstellelastizität, die entropisch bedingt ist (Entropieelastizität [1], siehe
auch Kap. 3.8, Elastin, Bild 101). Durch die Dehnungskristallisation liegt eine höhere Ordnung
der partiell kristallinen Molekülketten im Vergleich zum vorherigen amorphen, ungeordneten
Zustand vor (siehe Bild 214). Der Rückstellprozess ist deshalb entropisch begünstigt, da er
wieder zum Ausgangszustand mit geringerer Ordnung führt und er läuft demnach im Sinne des
2. Hauptsatzes der Thermodynamik [10], [11] als spontaner irreversibler Prozess ab [2]. Die
Dehnungskristallisation ist für die Anwendung des Naturkautschuks von großer Bedeutung, da
der selbstverstärkende Effekt, der bei der Dehnung in Richtung der von außen einwirkenden
Kraft auftritt, für die Anwendung z. B. in Form von Fahrzeugreifen nützlich ist.
Bild 214 Kautschuk zeigt das Phänomen der Dehnungskristallisation. Beim Anlegen einer Zugspannung
orientieren sich die vorher regellosen aber verknüpften Molekülketten und bilden kristalline Bereiche mit
parallel orientierten Ketten. Durch die vergrößerte Zugfestigkeit in Längsrichtung der orientierten Bereiche
ergibt sich ein selbstverstärkender Effekt. Dieser ist reversibel, es zeigt sich ein Rückstelleffekt, der entro-
pisch begünstigt ist (Entropieelastizität), weil er wieder zu einem ungeordneteren Zustand führt. In erster
Näherung ist das ein gegenteiliger Effekt wie bei Spinnenseide (s. Kap. 3.7, Bild 97), bei der durch me-
chanische Belastung geordnete, kristalline Bereiche (β-Faltblatt) zerstört werden (Darstellung nach [12]).
 
Search WWH ::




Custom Search