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Stärke löst sich in heißem Wasser kolloidal, in kaltem Wasser quillt sie jedoch nur [13]. Reine
Amylose kann stabile Lösungen bilden; 0,2-0,3 g können 100 ml Wasser binden, was die
Verwendung als Verdickungsmittel und ähnliche Anwendungen bis zu den Biokunststoff-
Stärkeblends erklärt. Für das Quellungsvermögen bzw. die Löslichkeit sind offenbar die Ver-
zweigungen verantwortlich, was auch ein Vergleich mit Glykogen, dem Reservepolysaccharid
im menschlichen und tierischen Körper zeigt. Glykogen ist strukturell mit Amylopektin ver-
wandt und besitzt
-1,4-glykosidisch verknüpfte Glucose-Moleküle in der Hauptkette, die
jedoch schon nach 10 Einheiten eine
α
-1,6-glykosidische Bindung und damit einen größeren
Anteil von 1,6-Verknüpfungen aufweisen als Amylopektin (vergleiche Bild 163). Glykogen
befindet sich in der Leber in Form von Granuli mit 10-40 nm Durchmesser [3] als ausgespro-
chenes Reservepolysaccharid und im Muskel als kontinuierlicher Lieferant von Glucose. Gly-
kogen muss demnach vergleichsweise schnell für den Stoffwechsel verfügbar sein.
Bei der Nutzung von Stärke spielt die Gelatinierungstemperatur eine große Rolle, die die stoff-
lichen Einsatzmöglichkeiten beschränkt (siehe Tabelle 58). So sind stärkebasierte Biokunst-
stoffe nur wenig thermisch belastbar (siehe Anwendungen).
α
Tabelle 58 Mittlerer Durchmesser der Stärke-Granuli und Gelatinierungstemperatur einiger Stärken
[173].
Pflanze
Mittlerer Durchmesser / µm
Gelatinierungstemperatur / °C
Mais
15
62-71
Weizen
20-22
53-64
Reis
5
65-73
Kartoffel
33
62-68
Süßkartoffel
25-50
82-83
Tapioca
20
59-70
Stärke kann wie alle Biopolymere durch die polaren Gruppen viele Wasserstoffbrückenbin-
dungen ausbilden. Die Glasübergangstemperatur ist daher stark vom Wassergehalt abhängig
und liegt bei einem Wassergehalt von 14 % bei 80°C [174]. Stärke ist bei Raumtemperatur sehr
spröde und muss für bestimmte Anwendungen mit Additiven bzw. Weichmachern versetzt
werden [175]. Durch die gute Aufnahmefähigkeit für Wasser (Hydrophilie) ist Stärke nicht
sehr stabil in feuchter Umgebung, was die Anwendungsmöglichkeiten für Stärke-Biokunst-
stoffe limitiert, aber vorteilhaft im Hinblick auf die biologische Abbaubarkeit ist.
Anwendungen
Neben der Hauptanwendung von Stärke als Lebensmittel (Stärke ist das wichtigste Nahrungs-
mittel des Menschen [2], [173]) existieren vielfältige stoffliche Anwendungen. Stärken dienen
als Fermentationsrohstoffe für die biotechnologische Herstellung zahlreicher Stoffe wie Etha-
nol (siehe Kap. 11), Milchsäure (siehe Kap. 7.1), Sorbit (siehe Kap. 9.6) oder Pullulan. Stärke
kommt als Additiv in der Papierindustrie zum Einsatz, eine Anwendung, die in Form von Pa-
pyrus-Beschichtungen schon seit ca. 6.000 Jahren bekannt ist [21]. Weiterhin dient Stärke als
Zusatz für Klebstoffe und Kleister, in der Pharmazie als Bindemittel für Tabletten und in der
Ölindustrie als Viskositätskontroll-Additiv, um die geeignete Viskosität beim Polymerfluten
[176] einzustellen. Stärke ist bei dieser Anwendung wegen seiner geringen Temperaturbestän-
digkeit dem Schizophyllan (siehe Kap. 4.9.1) unterlegen. Weiterhin wird Stärke als Verdi-
 
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