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Strohballenbau
Auch komplette Ballen aus Halmgütern können als Baustoff eingesetzt werden was seit der
Erfindung der Strohballenpresse - gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den USA - möglich ist
[127], [128], [129], [131], [132]. In den USA wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Stroh-
ballenhäuser errichtet, die heute noch erhalten sind. In Deutschland wurden Strohballen erst in
jüngster Zeit, gegen Ende des 20. Jahrhunderts, im Bauwesen benutzt und sind seit Beginn des
21. Jahrhunderts als Baustoff zugelassen.
Bei der Strohernte ist entscheidend, auf eine geringe Feuchtigkeit des Strohs zu achten, die
maximal bei 15 % liegen darf [99]. Neben der Wahl des geeigneten Zeitpunkts hinsichtlich der
Jahreszeit sind auch Schwankungen im Tagesverlauf zu beachten, z. B. Morgentau, der den
Feuchtegehalt erhöht. Weiterhin ist ein niedriger Unkrautbesatz des Ackers von Bedeutung, da
die Unkräuter wesentlich anfälliger gegenüber Verrottung und Schädlingen sind als das ge-
trocknete Stroh. Die Unkräuter dürfen maximal einen Anteil von 0,5 % besitzen und der Rest-
korngehalt muss unterhalb von 0,4 % liegen [128].
Mit Strohballen sind sowohl tragende Konstruktionen (mit Einzelabnahme) [132] oder Holz-
ständer-Konstruktionen möglich, deren Gefache mit Strohballen ausgefüllt werden (siehe
Bild 148). Bei tragenden Konstruktionen ist die Gleichmäßigkeit des geernteten Strohs von
großer Bedeutung. Es empfiehlt sich, die Ernte an einem Tag vorzunehmen, wenn unterschied-
liche Setzungen vermieden werden sollen.
Bei der genehmigungsfreien nicht-tragenden Bauweise wird ein Holzfachwerk auf einem
feuchtigkeitsbeständigen Schwellenholz errichtet. Die Gefache werden dann mit Strohballen
ausgefüllt und können auf der Innenseite mit einer diagonalen Lattung verschlossen werden,
die zur statischen Aussteifung dient. Ggf. kann die Wand mit Holzwerkstoffplatten vollflächig
verschlossen werden. Lehmputze von ca. 3 cm Dicke auf Innen- und Außenseite sind möglich
oder die Ausrüstung der Außenseite mit einer Sparschalung, Windbremse und schließlich
Stülpschalung. Auch die Nutzung von strohverstärkten Lehmputzen als alleinige Putzschicht
oder als Wärmedämmputz ist möglich, allerdings müssen die Lehmputze auf der Außenseite
z. B. durch große Dachüberstände gegen Schlagregen geschützt werden. Eine Alternative zum
Lehmputz ist durch Kalkputze gegeben. Auch die energetische Gebäudesanierung mit Stroh-
ballen in Form einer Außendämmung ist möglich (siehe Bild 148). Weiterhin können die Bal-
len als Dämmung in Fußböden und Decken eingesetzt werden [127], [133].
Die Schalldämmung einer 45 cm dicken Strohballenwand mit 2,5 bzw. 3,5 cm dickem Lehm-
putz ist in einem weiten Frequenzbereich einer Kalksandsteinwand oder Betonwand überlegen.
Strohballenwände mit beiderseits 3 cm dickem Lehmputz sind nach DIN 4102 [134] als B2,
d. h. als normal entflammbare Baustoffe eingestuft und erreichen eine Feuerwiderstandsdauer
von 90 Minuten (F90) [127].
Die Getreideproduktion hat in Deutschland ein Volumen von ca. 50 Millionen Tonnen jährlich
[135], wobei eine vergleichbare Menge an Stroh anfällt [33]. Bei einer Dichte von bis zu
200 kg/m³ (Mittelballen und Großballen [128]) entspricht diese Menge 250 Millionen m³ oder
bei einer Ballenbreite von 50 cm (und damit einer ebensolchen Wandstärke) 500 Millionen m²
Wandfläche in Strohballen. Bei einer in erster Näherung veranschlagten Außenfläche eines
zweigeschossigen Einfamilienhauses mit der Grundfläche 10 m mal 10 m und der Wandhöhe
6 m entspräche diese Menge an Strohballen der Außenwandfläche von rund 2 Millionen Ein-
familienhäusern. Bei ca. 40 Millionen Haushalten in Deutschland und davon 29 % mit Einfa-
milienhäusern also ca. ein Sechstel des Einfamilienhausbestandes [136], [137].
 
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