Environmental Engineering Reference
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Einleitung
Werkstoffe, Halbzeuge und Endprodukte auf Basis nachwachsender Rohstoffe gewinnen zu-
nehmend an Aufmerksamkeit und Bedeutung, obwohl viele werkstoffliche Anwendungen
biogener Stoffe schon seit langer Zeit etabliert sind. Einige Stoffe sind buchstäblich schon seit
historischen Zeiten im Einsatz, wie z. B. das Milchprotein Casein als Bindemittel für Farben,
die für Höhlenmalereien verwendet wurden, Wolle als Bekleidungsfaser oder fettgegerbtes
Leder. Diese biogenen Werkstoffe gehören damit zu den ältesten Produkten der Menschheit.
Rund 40 Jahre sind nun seit der Veröffentlichung der Studie für den Club of Rome „Grenzen
des Wachstums“ vergangen, die zu folgender wichtiger Schlussfolgerung kam:
„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der
Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürli-
chen Rohstoffen unverändert anhält, werden die Wachstumsgrenzen auf der Erde im
Lauf der nächsten hundert Jahre erreicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit führt das zu
einem ziemlich raschen und nicht aufhaltbaren Absinken der Bevölkerungszahl und der
industriellen Kapazität“ [1] .
Nun legt der Sachverständigenrat für Umweltfragen ein Gutachten unter dem Titel „Verant-
wortung in einer begrenzten Welt“ vor und stellt auf naturwissenschaftlicher Basis die Frage,
„ob und wie ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum möglich ist, ohne langfristig globale
ökologische Grenzen zu überschreiten“ [2]. Im Gutachten wird unter anderem als sinnvolles
Ziel angegeben, „Wohlfahrt und Ressourcennutzung zu entkoppeln“ , ein Ziel, das dem
menschlichen Handeln der Vergangenheit diametral entgegengesetzt ist. Die Postwachstums-
ökonomie beschäftigt sich aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive mit einer Welt, die
ohne Wirtschaftswachstum auskommt [3]. Eine Fortsetzung der Studie „Die Grenzen des
Wachstums“ aus dem Jahr 2012 prognostiziert u. a., dass sich unser Fokus mehr auf das
menschliche Wohlergehen und weniger auf das Wirtschaftswachstum richten wird; eine Um-
orientierung, von der aber erwartet wird, dass sie zu langsam eintritt, um eine fundamentale
Veränderung insbesondere des Weltklimas zu verhindern [4].
Wenn die genannten anspruchsvollen Ziele erreicht werden sollen, ist neben weitreichenden
Veränderungen auf dem Energiesektor (Umstellung auf erneuerbare Energien) auch eine
grundsätzliche Änderung in der Nutzung stofflicher Ressourcen notwendig. Es ist demnach zu
erwarten, dass sich die schon eingetretene Entwicklung der vermehrten Nutzung nachwachsen-
der Rohstoffe weiter verstärken muss, um die Abhängigkeit von endlichen Ressourcen zu ver-
ringern.
In diesem Buch wird ein Überblick über nachwachsende Rohstoffe und deren werkstoffliche
Anwendungen gegeben. Die Darstellung legt den Schwerpunkt auf Herstellung bzw. Vorkom-
men der Stoffe, die chemische Struktur und stofflichen Eigenschaften, Anwendungen sowie
ökonomische und ökologische Aspekte.
Der chemische Grundaufbau der Stoffe spielt eine herausgehobene Rolle, da er für die makro-
skopischen und somit werkstofflichen Eigenschaften verantwortlich ist. Das Anwendungsver-
halten ergibt sich immer als letztliche Konsequenz des chemischen Grundaufbaus. Relativ
geringe Modifikationen der chemischen Grundstruktur können zu erheblichen Veränderungen
im makroskopischen Verhalten der Substanzen führen, wie das z. B. an den strukturell eng
verwandten Stoffen Cellulose und Chitin sowie an Cellulose (β-glykosidische Bindung - nicht
 
 
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