Environmental Engineering Reference
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Die Spinnenseide kann wie eingangs beschrieben als inhärenter Verbundwerkstoff angesehen
werden: Die kristallinen Bereiche mit β-Faltblattstruktur (siehe Bild 97), die reich an Amino-
säuren mit kurzen Seitenketten sind (Glycin, Alanin, Serin), liegen eingebettet in eine amorphe
Matrix mit der häufigen Sequenz Gly-Gly-X (X = Serin, Tyrosin, Glutaminsäure) im Sinne von
Bild 95 vor.
Bild 97 β-Faltblatt-Struktur von Fibroin in Spinnenseide. Der hohe Anteil von Aminosäuren mit kurzer
Seitenkette ermöglicht eine enge Packung und die Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen, die die
Struktur stabilisieren und beim Aufbrechen durch Dehnung des Spinnenfadens Energie dissipieren [106].
Wird der Faden in Längsrichtung mechanisch beansprucht, brechen die β-Faltblatt-Bereiche,
die durch ihre Parallelorientierung die Zugkräfte aufnehmen, schrittweise auf. Dies geht mit
einem Bruch zahlreicher Wasserstoffbrückenbindungen einher. Damit kann der Faden eine
große Energiemenge aufnehmen und dissipieren (Umwandlung von Exergie in Anergie [124]).
Dieser Effekt erklärt die sehr guten Dämpfungseigenschaften der Spinnenfäden, die notwendig
sind, damit z. B. der Fangfaden der Spinne seine Funktion erfüllen kann. Ungefähr 65-68 %
der durch die Dehnung des Fadens eingebrachten Energie wird dissipiert, lediglich 32-35 %
gespeichert (zitiert in [113]). Wäre das nicht so und verhielte sich der Fangfaden wie eine per-
fekte Hook'sche Feder [125] (perfekt elastisch), würden die Beute und die Spinne nach der
Dehnung durch den Rückstelleffekt aufeinander zu geschleudert. Der hohe kristalline Anteil
von 60 % [35] erklärt die Qualität dieses dämpfenden Effekts und die guten mechanischen
Eigenschaften: Hohe Festigkeit und Zähigkeit bei gleichzeitig hoher Bruchdehnung zu errei-
chen ist eine Optimierung teilweise gegensätzlicher Eigenschaften (siehe Tabelle 32 und Ta-
 
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