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aus konsistent, denn würde sie optimistische Zukunftsszenarien entwickeln, liefe
eine kritische Wissenschaft Gefahr, ihre Programmatik zu konterkarieren und
blinde Flecken zu erzeugen, statt sie aufzulösen. In Bezug auf die zunehmende
(massen-)mediale Durchdringung des Alltagslebens geht es ihr darum, die passi-
ve Rolle der Konsumenten im Spiel der Marktmächte sichtbar zu machen und
sich dabei gegen die von den Massenmedien selbst verbreitete Verklärung der
Gewalt und Stilisierung der Konsumentenfreiheit zu richten. Durch diese refle-
xive Wende sind in der Humangeographie tiefgehende Einsichten und vor allem
große Sensibilität für unsichtbare Machtgefüge und Deutungshoheiten entstan-
den (Berndt/Pütz 2007; Glasze/Mattissek 2009).
Den nicht-wissenschaftlichen Alltagswesen wird die reflexive Kompetenz
aus dieser Perspektive allerdings notwendig abgesprochen. Sie werden metakog-
nitiv eher als bloße „Macher“, denn als selbstbewusste Autoren konstituiert,
freilich in bester aufklärerischer Absicht. Diese Macher, bzw. Akteure, können
zwar, gerade aus handlungstheoretischer Sicht, durchaus persönliche oder kol-
lektive Strategien verfolgen, in Bezug auf ihre konstruktive Leistung am Raum
oder Bild erscheinen sie aber weitgehend ahnungslos bzw. unreflektiert und
entsprechend auch machtlos. Das konstruktivistische Weltverständnis scheint
also einem kritisch-reflexiven konstruktivistischen Paradigma folgend paradox-
erweise der Wissenschaft vorbehalten. Man könnte auch sagen, es scheint bis
hierher eine Zustandsreflexion im theoretischen Diskurs zu sein. Noch einmal
anders gesagt: Aus sozialwissenschaftlicher Sicht sind die Alltagsakteure zwar
Konstrukteure von Welt, sie handeln aber bislang nicht in einem konstruktivisti-
schen Selbstverständnis. Inwiefern verändert sich diese Subjektkonstitution mit
dem web2.0 und seinen Nutzern?
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„Common constructivism“: konstruktivistisches
Selbst- und Weltverständnis in der geomedialen Praxis
Wenn man sich die Akteurskonstruktion einer kritisch-reflexiven Humangeogra-
phie vor Augen führt und demgegenüber die Entwicklung des web2.0 betrachtet,
so ergibt sich zunächst der Eindruck, die Praxis hätte die Theorie nun konse-
quent eingeholt - ganz im Sinne der „doppelten Hermeneutik“ (Giddens 1997:
47). Mit der Entwicklung des Internets und insbesondere des web2.0 gibt es
keine passiven Endverbraucher mehr, die Trennung der aktiven und passiven
Rolle, von (machtvollen) Produzenten und (machtlosen) Verbrauchern im Ver-
marktungs-, aber auch im Kommunikationsprozess wird aufgelöst. Es erscheint
der „Prosument”:
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