Geography Reference
In-Depth Information
sucht die Grundlagen des Wissens für unsere Entscheidungen, situiert Wissen in
spezifischen historischen Epochen und geographischen Kontexten, widersteht
etablierten Kategorien unseres Denkens und fordert diese heraus und zeigt, wie
die Wahrheitsansprüche von Wissen unter spezifischen Rahmenbedingungen
durchgesetzt werden, die eng verwoben sind mit Macht (Glasze 2009: 187;
Crampton 2010).
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Der „constructivist turn“: Geographiemachen und Sehen als Praxis
Die skizzierte Entwicklung einer raumbezogenen Bildkritik ist in der Humange-
ographie eng verbunden mit der konstruktivistischen Wende, welche das geogra-
phische Interesse am Raum zu einem Interesse an der gesellschaftlichen Herstel-
lung von Raum („alltägliches Geographie-Machen“) verschob (Werlen 1997;
1999). Eine ähnliche Wendung hat auch die Bildwissenschaften erfasst. Auch
wenn die Einsicht vorherrscht, dass Bilder ihren Gehalt nicht durch ein kontin-
gentes, einer linearen Grammatik folgendes Benennen, sondern auf der Grundla-
ge von Ähnlichkeitsbeziehungen erlangen, so ist diese Ähnlichkeit Sachs-
Hombach (2004, 62) zufolge nicht allein repräsentativ, sondern im Vollzug des
"Sehen als" immer auch als produktiv zu begreifen. Visualisierung ist demnach
nicht auf die gleiche Art kontingent wie sprachliches Benennen, dennoch sind
die analogen Bildlichkeiten offen für ein "anders Sehen" (ebd.), das jedoch
grundsätzlich auch kulturell vorgeprägt ist.
Aus praxiszentrierter Perspektive wird daher nahegelegt, auch das Sehen
(analog dem Sprechen) als „kontextuell situierte und intersubjektiv adressierte
Tätigkeit zu begreifen, mithin als einen Vollzug, der zugleich etwas stiftet“
(Schürmann 2008: 11). Das Bild wird nicht als statischer Gegenstand gedacht,
sondern als dynamische Erscheinung im Vollzug des Sehens. Das materielle Bild
ist also nicht objektive Referenz, sondern Ermöglichung des Sehenkönnens
(ebd.: 23f., s. a. Beitrag Dickel in diesem Band), es ist nicht nur wirkliches Pro-
dukt, sondern gleichermaßen auch Produzent von Wirklichkeit. Bilder, materiel-
le wie mentale werden so gesehen nicht nur gemacht, sondern sie machen auch,
insofern sie mit dem Betrachter kommunizieren und dabei Welt auf bestimmte
Art und Weise darstellen. Sie lassen sich somit „als Artikulations- und Vermitt-
lungsleistungen begreifen, die etwas thematisieren, das ohne sie nicht existierte“
(Sachs-Hombach/Schürmann 2005: 118).
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