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Raum und Medium
Die Idee einer Beschreibung von Mediengeschichte als Veränderung von Raum
und räumlichen Konstellationen ist nicht neu, sondern einer der Grundgedanken
der sogenannten Toronto-School − also der kanadischen Medientheorie nach
Harold Innis, zu deren bekanntesten Vertretern Marshall McLuhan gehört. Innis
rekurriert insbesondere auf das Verkehrswesen und schreibt in dieser Hinsicht
noch keine dezidierte Mediengeschichte, sondern er schreibt als Ökonom in
erster Linie über die jeweilige historische ‚Voreinstellung', ‚Ausrichtung' oder
‚Tendenz' (engl. bias ) der Kommunikation, also die infrastrukturellen Bedin-
gungen der Kommunikation sowie die damit verbundene Frage nach der Beherr-
schung des Raums durch Militär und Verwaltung. Nach Innis (1997) wird dies
unter anderem mithilfe der Übermittlung mündlicher und schriftlicher Botschaf-
ten geleistet, aber auch durch Instrumente der Navigation und Erkundung wie
Kompass und Fernglas. Innis versucht damit, eine Kulturgeschichte unter räum-
licher Perspektive zu schreiben.
McLuhan, der sein eigenes Werk als Fußnote zu Innis ausgibt, thematisiert
zwar auch Raum, sein allgemeines Schema bleibt jedoch eher grob. Und den-
noch kann McLuhans Beschreibung der Gegenwart als ‚Weltdorf' als eine These
über den Raum verstanden werden, nämlich als Diagnose der Rückkehr ruraler
Strukturen nach einem Zeitalter der Zerstreuung über den Globus. Die Nahr-
aumerfahrung, so McLuhans These in Kurzfassung, die in den ‚local villages'
durch die direkte mündliche Erreichbarkeit garantiert war, werde mit Hilfe von
Medien wiederhergestellt, wenn diese (wie vor allem Radio und Fernsehen) zur
Distanzüberwindung eingesetzt werden. Es entstehe daher eine neue − universale
- Kommune: das ‚global village'. Und: Die neuen Dorfbewohner seien trotz
räumlicher Distanz Teil einer Weltgemeinschaft.
Wie insbesondere in dem posthum von Bruce Powers veröffentlichten Band
The Global Village deutlich wird, arbeitet McLuhan (1995) dabei mit einer gro-
ben Dichotomie von ‚visuell' und ‚akustisch', wobei ersteres der Distanz, zwei-
tes der Nähe zugeordnet wird. Bemerkenswerterweise wird dabei nicht das Bild
angeführt, sondern die Schrift, welche den visuellen (distanzierenden) Raum
hervorbringe. Verständlich wird die These, wenn berücksichtigt wird, dass unter
‚visuell' alles Entfernende und Mittelbare gefasst wird, unter ‚akustisch' aber
alles Nähernde und Unmittelbare. Schrift und Bild sind nach McLuhan demnach
gleichermaßen distanzierend, während Ton oder Stimme die Menschen versam-
melt.
Unabhängig von der Frage nach Raum ist dabei festzustellen, dass ‚Medium'
von McLuhan in einem zweifachen Sinne gebraucht wird: zum einen als Technik
und zum anderen als Weise der Vermittlung. Letzteres ist etwa - um in Mc-
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