Geography Reference
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Unvorhersehbarkeit: Sollen Fragen, die sich aus dem Umgang mit dem Bild
ergeben, nicht nur den Anschein von neuen und eigenen Fragen haben, sondern
wirklich offen sein, so dürfen sie „ihre Antwort noch nicht im Blick haben. Nur
eine solche Fragehaltung kann den Wandel dessen, wie gefragt und etwas gese-
hen wird, ermöglichen, also das, worum es in einer Wissenschaft eigentlich geht.
Und nur in einem solchen Fragen wiederum könnte Eigensinn bewiesen wer-
den.“ (Zahnen 2005: 213). Geographische Forschung und Bildung ist in diesem
Sinne nicht vorhersagbar. Geographische Bildung ist vielmehr ins Offene hin
entworfen. Gleichwohl wird sie dadurch nicht uferlos oder beliebig. Sie gewähr-
leistet ein eigensinniges Fragen und Forschen und fordert ein Selbst, das sich
selbst in (die) Frage stellt. Und es gelingt überhaupt nur so, von Setzungen oder
objektivierenden theoretischen Annahmen Abstand zu nehmen (vgl. Zahnen
2005: 215). Nur in der offenen Haltung lassen sich Fragen finden, die sich als
Fragen und als Bildungsanlass würdig erweisen, da sie den Fragenden immer
wieder auf das eigene, offene, sich wandelnde geographische Selbstverständnis
zurückwirft (vgl. Zahnen 2006: 216).
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Fazit
Angesichts der Bilderflut, die eine erneute Auseinandersetzung mit der Visualität
auf den Plan ruft, gerät die über Jahrhunderte unangefochtene Text-Bild-
Hierarchie aus den Fugen (vgl. Mersch 2002: 316). Die Eigenart des Bildes
selbst gerät in den Blick. Die phänomenologische Auseinandersetzung mit Visu-
alität impliziert die Umgestaltung nahezu sämtlicher Kategorien der Beschrei-
bung der Wahrnehmung. Statt das Visuelle von der Sprache und der Ratio her zu
verstehen, verdankt sich das Visuelle dem Ereignis. Es ist in die Erfahrung des
Fremden eingelassen, das Fremdwerden der Erfahrung selbst wird betont. Die
Bemächtigung des Subjekts durch Anderes in der Erfahrung geht mit einer Ent-
mächtigung des Subjekts einher. So verstand z. B. Aristoteles das Wahrneh-
mungsgeschehen noch vornehmlich als energeia und beschreibt es als „Wand-
lung“, die sich im Bewegtwerden und Erleiden vollzieht (vgl. Mersch 2002: 35).
Als Wahrnehmende entscheiden wir nicht darüber, ob und wie wir wahrnehmen,
sind wir nicht ausschließlich absichtsvoll handelnde Subjekte. Als Wahrneh-
mende öffnen wir unsere Sinne vielmehr für etwas, wir sind also zugleich immer
schon Empfangende. Indem wir das Subjekt als Empfangendes, Erleidendes,
Verletzliches verstehen, brechen wir mit dem Topos des allein intentional han-
delnden Subjekts. Anderes geht mich an und heißt mich zu antworten. Das Sub-
jekt wird hier als responsives begriffen, als eines, das in seiner Antwort auf eine
Alterität in ihrer Unverfügbarkeit verwiesen ist. Indem wir die Struktur visueller
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