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und Bilden zugleich entspringt, kann man davon ausgehen, dass das Sehen pro-
duktiv und nicht reproduktiv ist. Die Ordnung des neuartigen Sehens gründet in
der Bilderfahrung.
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Vor dem Bild
Während man zuvor davon ausging, dass die Logik der Vermittlung in der Sache
steckt und das Bild diese Sache sichtbar macht bzw. repräsentiert, haftet dem
Bild dem französischen Kunsthistoriker und Philosophen Georges Didi Huber-
mann (1999) zu Folge etwas Unzugängliches, etwas Unnahbares, etwas Distan-
ziertes an. Dem Sich-Zeigen des Bildes ist gleichzeitig ein Moment des Entzugs,
des Verbergens, des Sich-Verweigerns (vgl. Heidegger 1992 nach Krämer 2009:
12) inhärent. Dieser Entzug des Bildes ist aber nicht absolut, sondern betrifft
allein die Dimension der Visualität. Indem Didi-Hubermann davon ausgeht, dass
wir das, was wir nicht sehen, was sich unseren Augen entzieht, spüren und füh-
len können, betont er die taktile Dimension des Sehens, die sich in einem Ergrif-
fenwerden durch Bilder zeigen kann. Ein Bild ist somit nicht Sichtbarkeit durch
und durch, sondern ein Bild ist mehr und anderes als reine Sichtbarkeit. Das
Wahrnehmen im Angesicht von Bildern drückt sich durch einen Doppelcharakter
aus, dadurch, dass wir ein Bild nicht nur sehen, sondern es anblicken und, dass
die Besonderheit des Blickbezugs auf Bilder darin besteht, dass sie uns ihrerseits
anblicken (vgl. Krämer 2009: 13).
Nach Didi-Hubermann ist der Akt des Sehens durch eine unausweichliche
Spaltung gekennzeichnet; sie trennt das, was ich sehe von dem, was mich an-
blickt. „Was wir sehen, gewinnt in unseren Augen Leben und Bedeutung nur
durch das, was uns anblickt, uns betrifft.“ „Was wir sehen, blickt uns an“ (Didi-
Hubermann 1999: 11). Das Bild „fordert uns auf, unsere eigene Position ihm
gegenüber dialektisch zu fassen, dass, was wir sehen, mit dem, was uns plötzlich
(…) anblicken kann, dialektisch in Beziehung zu setzen. Das heißt, es fordert
uns auf, dass, was wir von ihm erfassen, vor dem Hintergrund dessen, was uns
an ihm ‚ergreift', zu denken vor dem Hintergrund dessen, was in Wirklichkeit
unserem Zugriff entzogen ist“ (Didi-Hubermann 1999:79). Wie lässt sich das
verstehen?
Die visuelle Erfahrung tritt auch nach Waldenfels (2010: 43) nie rein visuell
auf, sondern nimmt die ganze Leiblichkeit in Anspruch. Sie hebt mit einem An-
reiz an, einem An-Reiz, der den Erfahrenden aufstört und auf ihn irritierende
Wirkung hat. In der Bildwirkung fungiert das Bild als Reizmittel.
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