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„Eigenleben“, „Sichzeigen“ oder „Aufstand“ der Dinge. Mit der Kategorie der
„ästhetischen Erfahrung“ können wir das zu fassen versuchen, was in der Be-
gegnung mit einem Gegenstand, also mit etwas, das uns „entgegensteht“, ge-
schieht. Die Begegnung zwischen Mensch und Medium wird überhaupt nur dort
möglich und produktiv, wo zunächst auf den eigenen ästhetischen Status der
Begegnung zwischen Mensch und Medium reflektiert wird, bevor dieser allzu
schnell zugunsten einer Bewegung vom Medium zur Sprache und umgekehrt
verlassen bzw. aufgegeben wird. In dieser Logik gerät das über Jahrhunderte
unangefochtene Primat des Textes vor der Wahrnehmung des Gegenstandes aus
den Fugen (vgl. Mersch 2002: 316). Im Folgenden werde ich grundlegende Ge-
danken darüber entfalten, wie sich die Begegnung zwischen Medium und Sub-
jekt vollzieht. Wie lässt sich diese Begegnung beschreiben, die vom Primat des
Ästhetischen ausgeht und den Begriff nachordnet? Die Neuverhandlung des
Verhältnisses von Sinn und Sinnlichkeit erläutere ich hier am Beispiel des klas-
sischen Mediums des Bildes. Gleichwohl beschränkt sich jene Neuverhandlung
nicht nur auf klassisch-mediale Begegnungen, wie sie im Folgenden erörtert
werden, sondern liefert eine grundlegende Denkfigur für eine Neupositionierung
im Umgang mit Medialität und visueller Logik. Vor dem Hintergrund der ein-
gangs erwähnten digitalen Durchdringung und der damit verbundenen Multivi-
sualität und Multimedialität unseres Alltags kann ein derartiger Perspektiven-
wechsel - auch und vor allem für geographische Bildung - neue und vielver-
sprechende Denkanstöße liefern.
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Bild und Blick
Das vorherrschende Bild-Verständnis in der Geographie zeichnet sich dadurch
aus, Bilder als Texte wahrzunehmen und im Lesenlernen und Entschlüsseln
dieser Texte eine angemessene Bildbegegnung zu finden. Diese Auffassungen
sind an Bildpositionen angeschlossen, die Bildern keine eigene Weise der Sinn-
erzeugung zugestehen, die vielmehr davon ausgehen, dass sich Bedeutung bloß
in Sprache vollzieht. Denken und Logik werden allein an die Ordnung der Spra-
che und die Struktur der linear-temporalen Ordnung der diskursiven Rede ge-
bunden. Die phänomenologische bildwissenschaftliche Position, die das Bild
nicht bloß als Gegenstand unserer Umwelt betrachtet, sondern als etwas, das in
seinem Sein auf die menschliche Subjektivität verweist, hat sich in jüngster Zeit
zu einem festen Bestandteil der theoretischen Positionen etabliert (vgl. Kapust
2009: 255; Heßler/Mersch 2009: 13). Aufgrund der Subjektbezogenheit, der
Bildphänomenologie, bietet es sich an, von dieser theoretischen Position aus,
über die Rolle des Bildes im geographischen Bildungsprozess nachzudenken.
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