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der
Locative Media
auf die Spur zu kommen - und dies in Parallelität zu einer
sozialwissenschaftlichen Sichtweise, die Makrotheorien durch Mikrotheorien
medial vermittelten bzw. gestützten Handelns sublimiert.
In dieser Hinsicht sind digitale Geomedien sozialtheoretische Komplizen
einer oligoptischen Sicht, die die Phantasmen der Panoramen in der Nutzung
unterlaufen. Schließlich, und das ist ein Argument gegen Latours Vorwurf, es
gäbe „nichts Erstickenderes als Google Earth mit seiner Ambition eines bruchlo-
sen und kontinuierlichen Zooms“ (Latour 2011: 53), machen Applikationen wie
Waze
die Oligoptizität territorialer Navigation durch Tracing sichtbar. Geome-
dien prozessieren also nicht nur ihre eigene Oligoptizität, sie bilden sie sogar
explizit ab.
Locative Media
sind somit das oftmals auf ihre lokalisierende Funktionalität
reduzierte Pendant der Ambiguität von Ortsmedien und Medienorten. Diese
Ambiguität ist durch wechselseitige Signifikanz und Mobilität gekennzeichnet
und markiert somit ein zentrales Charakteristikum der gegenwärtig zusehends
algorithmisierten Bild- und Zeichenkonstruktion: Während uns die lokativen
Medien, insbesondere durch
Augmented-Reality
-Applikationen wie Layar und
Wikitude, in Bewegung Bilder von Bewegungen vor Augen führen, sind es die
Geobrowser wie Google Earth, die Bewegungen im Bild selbst offenbaren - sei
es durch die im Bild integrierten
Navigational Cues
oder durch Verzerrungen,
die dadurch entstehen, dass Fotografien auf Kartographien gelayert werden.
Die medienwissenschaftlichen Konsequenzen dieses „algorithmic turn“
(Uricchio 2011) ist, dass
Locative Media
durch ihre technische Verfasstheit per
se auf einen bildlichen Charakter ihrer Darstellungsweisen und Äußerungsprak-
tiken verweisen. Die Ambiguität von Bild und Ort - die Dialektik von Bildorten
und Ortsbildern - ist also bereits den
Locative Media
eingeschrieben und bedarf
nicht erst einer Opposition. Insofern lässt sich bereits in den
Bildern in Bewe-
gung
die
Bewegung in Bildern
erkennen und umgekehrt.
Entscheidend für die Medialität der Neokartographie ist, wie diese Ausfüh-
rungen gezeigt haben, somit die repräsentationale Kopplung von Zeichen und
Ort (von Code und Raum) als strukturelle Determinante von Vernetzung: „Die
Karte muss zuerst in Umrissen projiziert werden, dann kann man unter Umstän-
den feststellen, welche Routen und Knotenpunkte - also welches ‚Netzwerk' -
man genauer nachzeichnen sollte.“ (Schüttpelz 2007: 30)
Hierbei handelt es sich um eine a-moderne Ortskonzeption, die beispielswei-
se der Ortsvorstellung der Inuit entspricht.
9
In deren Verständnis werden Perso-
nen zu Linien (Tracks), sobald sie sich bewegen. Die Jagd nach Tieren oder die
9 Wie Claudio Aporta (2004) gezeigt hat, bedeutet Reisen für die Inuit nicht eine transitorische
Aktivität von einem Ort zum anderen, sondern eine Form des Daseins.