Geography Reference
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darstellung durch Laien eine gesteigerte Bedeutung verliehen, gab es in der Kar-
tographiegeschichte immer wieder (vgl. Ristow 1946).
Ein wesentlicher Unterschied mag jedoch der folgende sein: Traditionelle
Karten machen all die für ihren jeweiligen Zweck relevanten Informationen
sichtbar, die sie in sich tragen. Diese singuläre Intentionalität hat sich im Zuge
der Digitalisierung zunächst entdifferenziert. Viele digitale Karteninformationen,
dargeboten über Smartphones, mobile Apps, Navigationssysteme, Geobrowser
oder über Webseiten, welche die Google Maps API ( Application Programming
Interface ) implementieren, folgen universellen Utilitarismen, wenn sie überhaupt
einem praktischen Nutzen folgen. Viele Geomedienanwendungen dienen allein
dem Selbstzweck, mittels der Konfrontation eines Technologieversprechens und
dessen medienpraktischer Aneignung mediale Potentiale und Strukturen sichtbar
werden zu lassen. 2 Sie dienen primär als Teil einer medienimmanenten Verspre-
chenskultur, die auf zukünftige Anwendungen und Anwendungsfelder verwei-
sen, im vollen Bewusstsein dessen, dass in der Gegenwart die Produktverspre-
chen nicht einzulösen sind.
Welche neuen Geomedien 3 wirklich langfristig Bestand haben, wird sich erst
noch zeigen müssen. Das abflauende Interesse an Crowdsourcing-Projekten wie
OpenStreetMap.org, an Location-Based Games wie Geocaching oder das Schei-
tern der kollaborativen Krisenkartographie im Libyen-Krieg (Communication
Crisis Blog 2010), die Schließung der einst hochgepriesenen Geocommunity
Plazes.com 2012 zeigen jedenfalls die Grenzen der Neogeographie und Neo-
kartographie auf.
Was die Neokartographie aber mehr als deutlich macht, ist, dass Karten keine
ontologische Sicherheit eigen ist: „they are ontogenetic in nature. [...] Maps are
practices - they are always mappings “ (Kitchin/Dodge 2007: 335). Auch Latour
folgt bis zu einem gewissen Grad diesem praxeologischen Kartenverständnis.
Für ihn kommt in digitalen Karten insbesondere eine Faszination infolge des
Überblickens der organisationellen Struktur der gesamten Produktionskette zum
Tragen.
Die Digitalität rematerialisiere die folgenden grundlegenden Charakteristika
einer jedweden Karte, die es schon immer gegeben hat: (a) die Erfassung von
Daten, (b) die Verwaltung von Daten, (c) die Neuberechnung von Daten - d. h.
die kumulativen Effekte, die es Rechen(schafts)zentren ermöglichen, mithilfe der
Überlagerung von vielen heterogenen Informationen Kohärenz zu erzeugen -,
(d) der Ausdruck - d. h. der provisorische Output der Plattform -, (e) die Weg-
zeichen und (f) der navigatorische Gebrauch.
2 Diese Perspektive ist Bestandteil der „Technomethodologie“ (Dourish/Button 1998).
3 Zur Definition des Geomedienbegriffs vgl. Döring/Thielmann 2009.
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