Geography Reference
In-Depth Information
Auf den Punkt gebracht:
Das Un- und Mittelbare von Karte und Territorium
Tristan Thielmann
Eine ganze Reihe von technologischen und konzeptionellen Veränderungen in
der Geographie wurden in den letzten 100 Jahren mit dem Etikett einer Neogeo-
graphy versehen (Rana/Joliveau 2009). Ein solcher Neologismus dient vornehm-
lich der Differenzerzeugung. Gleichwohl rekurriert die Neogeographie auf Kar-
tierungspraktiken, die bereits zur Zeit der vorwissenschaftlichen Kartographie
wohlbekannt waren. Betrachtet man die Arbeit von Claudius Ptolemäus und
vergleicht sein Geographie-Verständnis mit heutigen neogeographischen Prakti-
ken, kann man mit Daniel Sui (2009) und Jeremy Crampton (2010) durchaus
feststellen, dass zumindest der Begriff der Neokartographie oder der Maps 2.0
dem Phänomenbereich noch am ehesten gerecht wird.
Auch wenn sie kein fundamental neues ästhetisches Erlebnis verspricht, so
wird durch die heute praktizierende Neokartographie ein neues historisches Ver-
ständnis der Kartographie möglich - dies vor allen Dingen durch den Perspek-
tivwechsel auf amateur-/laienhafte und damit (wenn man so will) ‚demokrati-
sche' Mapping-Praktiken. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass geo- und karto-
graphische Werkzeuge und das mit ihnen verbundene Expertenwissen, nicht
länger isoliert betrachtet werden können, sondern in sämtlichen gesellschaftli-
chen Bereichen Akzeptanz und Widerklang gefunden haben, ja sogar Antreiber
kultureller Universalien sind (Blaut et al. 2003).
Die jetzige, etwa seit 2006 anhaltende Diskussion um die Neogeography (be-
ginnend mit Turner 2006) erlebt dabei vor allem durch zwei Aspekte verstärkten
Auftrieb: (a) Zum einen hat sich seither das Medienverständnis selbst verändert,
das in Medien wie insbesondere Geovisualisierungen nur mehr Mittler und In-
termediäre in einer langen Kette von Transformationen sieht (Perkins 2008); (b)
zum anderen hat die Praxeologie der Medien im Verhältnis zu deren Artefaktheit
ein diskursives Übergewicht in den Kultur- und Sozialwissenschaften erfahren
(Couldry 2012; Peters/Schüttpelz 2012). Beide Verlagerungen lassen sich sehr
konkret daran kenntlich machen, dass dem navigatorischen gegenüber dem mi-
metischen Gebrauch ein Vorrang bei der digitalen Kartennutzung eingeräumt
wird (November et al. 2010; Verhoeff 2012).
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