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Handlungen des Aneignens hingegen sind sachlich auf den Gegenstand ge-
richtet, das heißt prototypisch Konstruktionen erster Ordnung. Für eine Konzep-
tion von Aneignung ist es aus dieser Perspektive irrelevant, ob der Gegenstand
eine Repräsentation einer Sache ist - etwa ein Arbeitsblatt über die Sache - oder
die Sache selbst im Sinne eines Objekt, das im Unterricht verfügbar ist. 4 In bei-
den Fällen erscheint die Sache Schülern phänomenal, sie taucht auf. Mit einem
Phänomen findet Auseinandersetzung statt, wenn das Subjekt eine Differenz
zwischen System und Umwelt wahrnimmt. Als solche Auseinandersetzung um-
fasst Aneignung sowohl eine lebensweltliche als auch eine sachliche Seite: Sach-
lich sind Gegenstände für Aneignung nur nützlich, wenn sie die Sache selbst so
einfach wie möglich darstellen, jedoch keinen Aspekt trivialisierend abbilden,
das heißt die Angemessenheit der Repräsentation nicht verlassen wird. In der
Aneignung der Sache handeln Schüler der „lebensweltlichen Pragmatik der [ei-
genen] erkenntnisleitenden Interessen“ folgend (Gruschka 2009: 43). Diese
Pragmatik ist notwendigerweise Ausgangspunkt für Vermittlung. Aneignungen
entwickeln sich, indem Schüler sich mit Gegenständen auseinandersetzen, Wis-
sen über das Repräsentierte ausgehend von diesen Gegenständen aufbauen und
damit Verfügung über die Sache erhalten. Gegenstände werden im Unterricht
genutzt, um Begriffe, Kontext und Konzepte zu verhandeln und dadurch die
Sache zu beschreiben, zu erklären oder zu beurteilen. Diese Nutzung ist notwen-
dig, um vermittelnd zu kommunizieren und dabei eine Korrespondenz von Sache
und Sprechen aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig belegen Transskripte der Inter-
aktion im Unterricht, dass dieser häufig fortschreitet, obwohl für Schüler weder
lebensweltliche Gründe für die Auseinandersetzung mit einem Gegenstand
sichtbar werden noch eine Aneignung des Gegenstands stattgefunden hat
(Gruschka 2009).
Durch geoweb-Anwendungen wird räumliche Information mit abstrakten In-
formationen im Internet verbunden. Auf diese Weise sind neue Gegenstände
verfügbar, an denen vermittelt und angeeignet werden kann. Die Vermittlung
zwischen Sache und Schülern wird durch neue Medien nur insofern potentiell
erleichtert, als dass diese eine bessere Korrespondenz mit der Sache erlauben.
4 Die Korrespondenz von Objekt und Gegenstand ist ein wesentliches Problem in Nachbarschaft der
Konzeption des Handlungscharakters von Aneignung. Die Notwendigkeit dieses Problem ebenso zu
behandeln lässt sich anhand von Rekonstruktionen nachvollziehen. Durch Rekonstruktionen vermit-
telnder Interaktionen wird deutlich, dass Aneignung dort nicht stattfindet, wo der Gegenstand des
Unterrichts die Sache vereinfacht darstellt, mit der er korrespondieren müsste. „Zum einen sind die
Fälle, dass die didaktische Vereinfachung nicht aufgeht, Legion, zum anderen führen die Fehler
unausgesetzt im Verlaufe des Unterrichts zu Protest, sie werden vom Schüler bemerkt und nicht
selten gestaltsicher ironisch kommentiert. Das Missverständliche lädt zur Klärung ein, die dann umso
schmerzlicher vermisst wird“ (Gruschka 2010: 172).
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