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Vermittlung und Aneignung jenseits technologischer Verfügbarkeit
Das Primat der Wissensvermittlung wird auf Ebene von Vermittlung und Aneig-
nung erreicht. Aus Perspektive des Pragmatismus kann zwischen Vermittlungen
und Aneignungen ein fundamentaler Unterschied gezogen werden, der sich an
der Differenz von Handeln (Action) und Interaktion festmachen lässt: „We do
not establish an interactive form of contact with the physical objects in our en-
vironment. But our reaction towards the acts of others is a stimulus for the other
to act in a different way“ (Vanderstraeten 2004b: 43). Vermittlungen verlaufen
also immer als Interaktionen, in denen Konzeptionen einer Sache zwischen Sub-
jekten kommuniziert werden. Demgegenüber sind Aneignungen pragmatisch als
Handlungen gegenüber einem Gegenstand zu verstehen. Dieser Unterscheidung
folgend ist es sinnvoll, Vermittlung und Aneignung eigenständig zu konzipieren,
um beide Begriffe präziser für die Analyse von Unterricht einsetzen zu können.
Eine eigenständige Konzeption sensibilisiert gegenüber Phänomenen von Ver-
mittlung und Aneignung. Diese Position stützt sich auf Überlegungen zur Unter-
suchung von Kommunikation und Handlung durch Luhmann (1987: 241):
„Kommunikation ist die elementare Einheit der Selbstkonstitution, Handlung ist
die elementare Einheit der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung sozialer
Systeme. (...) Die Differenz von Kommunikation im Vollsinne einer Selektions-
synthese und zurechenbarem Handeln ermöglicht eine selektive Organisation
mitlaufender Selbstreferenz; und zwar in dem Sinne, daß man Kommunikation
reflexiv nur handhaben (zum Beispiel bestreiten, zurückfragen, wiedersprechen)
kann, wenn sich feststellen läßt, wer kommunikativ gehandelt hatte.“
Vermittlung kann als Interaktion zwischen Subjekten verstanden werden,
durch die das Gegenüber zu einem veränderten Verständnis des Gegenstands
veranlasst wird. Diese Vermittlung geschieht durch Kommunikation, die Luh-
mann (1987: 193-201) als Synthese von drei Selektionen versteht: Information,
Mitteilung und Verstehen. Information ist eine Selektion aus dem Repertoire an
Möglichkeiten, was kommuniziert wird. Alles was nicht in einer Situation kom-
muniziert wird, fungiert in der Situation der Kommunikation nicht als Informati-
on. Durch Mitteilung kommt diese selektierte Information zum Ausdruck. Drit-
tens ist Kommunikation auf Verstehen angewiesen. Verstehen entsteht als
Wahrnehmung einer Differenz von Information und Mitteilung. Als Konsequenz
dieser Synthese entsteht eine komplexere neue Situation von Information. In
dieser emergiert Wissen, das sich nicht auf die Summe des in die Kommunikati-
on eingebrachten Wissens reduzieren lässt. Aufgrund dieser Irreduzibilität kann
Vermittlung nicht als kausaler Ablauf modelliert werden - und damit ebenso
wenig als Technologie. Für die Analyse sind Interaktionen der Vermittlung als
Konstruktionen zweiter Ordnung im Sinne von Schütz (2010: 334) zu verstehen.
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