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Räume wie unterschiedliche Raumerfahrungen“ (Merleau-Ponty 1966: 339). Das
bedeutet jedoch nicht, dass damit einer subjektivistischen Sichtweise Vorschub
geleistet würde. Zwar speist sich der gesellschaftliche Wissensvorrat aus den
subjektiven Aneignungsprozessen der Akteure (Berger/Luckmann 2004: 22),
diese sind jedoch in der Regel vermittelt durch eine Wirklichkeit, die gesell-
schaftlich schon vorstrukturiert ist: „Die Wirklichkeit der Alltagswelt erscheint
bereits objektiviert, das heißt konstituiert durch eine Anordnung der Objekte, die
schon zu Objekten deklariert worden waren, längst bevor ich auf der Bühne
erschien“ (ebd.: 24). Innerhalb der Alltagswelt, die den Menschen als eine
selbstverständliche Wirklichkeit erscheint und die sie als fraglos gegeben an-
nehmen, dient das kollektive Wissen als Orientierung und ist konstitutiv für das
Alltagshandeln der Akteure. 3
Raumerfahrungen und Raumverständnisse zeichnen sich aus dieser Perspek-
tive durch drei wichtige Eigenschaften aus: Erstens bedingt die Standortgebun-
denheit der raumwahrnehmenden Akteure, dass Raumwirklichkeiten unter-
schiedlich erlebt und wahrgenommen werden (ebd.: 24). Zweitens beruhen sie
aber auf dem objektivierten Wissen über die räumlichen Bedingungen und den
gesellschaftlichen Raumkonstruktionen und dienen als Grundlage neuer Wis-
sensgenerierung und der Alltagspraktiken der Akteure. Sie stellen damit drittens
ein je gesellschafts- und zeitspezifisches Wissen dar. Dementsprechend zeichnen
sich Raumvorstellungen als Theorien von und über Raum dadurch aus, dass sie
nur im Verhältnis zu den gesellschaftlichen Bedingungen und deren sozio-
technischen Wandlungsprozessen verstehbar gemacht werden können. Die Be-
deutung des Zusammenhangs von gesellschaftlichem Wissen und zunehmender
Nutzung von technischen Kommunikationsmedien, insbesondere von Praktiken
der Visualisierung von Wissen, wird in jüngster Zeit von der visuellen Wissens-
soziologie hervorgehoben. In diesem Zusammenhang stehen sowohl programma-
tisch-theoretische Schriften, wie beispielsweise von Schnettler (2007) oder Raab
(2008) als auch anwendungsorientierte Forschungen, beispielsweise von Rei-
chertz (2007) oder Knorr-Cetina (2001), an die im Folgenden angeknüpft werden
soll.
3 Dass ein am Alltagshandeln der Akteure orientierter Ansatz auch an die Geowissenschaften an-
schlussfähig ist, zeigt besonders der sozialgeographische Ansatz von Benno Werlen (2008a), der vor
allem an einer Erforschung der alltagspraktischen Hervorbringung von Raumverhältnissen interes-
siert ist (Werlen 2008b: 272).
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