Geography Reference
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Wissen generiert, kommuniziert und tradiert wird, hängen in zunehmendem
Maße von der Verwendung visueller Kommunikationsmedien ab.
Es ist anzunehmen, dass dies nicht ohne Folgen für die „gesellschaftliche
Konstruktion von Wirklichkeit“ (Berger/Luckmann 2004) bleibt. Anknüpfend an
die sozialwissenschaftliche Debatte um den Begriff des „Raums“ werden wir in
diesem Beitrag daher der zentralen Frage nachgehen, inwieweit die zunehmende
Verbreitung und alltägliche Nutzung der geographischen Visualisierung im Geo-
web die Vorstellungen der Akteure von Räumlichkeit verändern. Unsere Grund-
beobachtung besteht darin, dass der sozio-technische Wandel von klassischen
Visualisierungspraxen hin zu der Verwendung digitaler Geomedien im Internet
durch eine Rückkehr von narrativen Elementen im Kartenmaterial, d. h. von den
subjektiven Erfahrungen und Erzählungen der Nutzer, gekennzeichnet ist. Wel-
che Auswirkungen hat dies auf die Alltagswahrnehmungen der Akteure und auf
die Bedingungen und Möglichkeiten ihres alltagspraktischen Handelns? Der
vorliegende Beitrag wählt dabei eine phänomenologisch inspirierte Perspektive
und einen explizit wissenssoziologischen Zugang. Zunächst wird das hier vertre-
tene wissenssoziologische Raumverständnis dargestellt (1.), bevor im Anschluss
die Bedeutung des Visuellen für das geographische Wissen bzw. die Raumvor-
stellungen der Akteure aufgezeigt wird (2.). Danach sollen zentrale Unterschiede
zwischen den kartographischen Medien „Karte“ (3.) und den „Geomedien“ des
Internets herausgearbeitet werden (4.), um anschließend die Kommunikation
geographischen Wissens im geoweb beschreiben zu können (5.). In den ab-
schließenden Kapiteln sollen die Konsequenzen dieser Entwicklung für die
Raumvorstellungen der Akteure diskutiert (6.) und Anknüpfungspunkte für wei-
tere Forschungen formuliert werden (7.).
1
„Raum“ aus der Perspektive der Raumsoziologie
Innerhalb der Wissenschaften rückt das Thema „Raum“ seit einiger Zeit zuneh-
mend in den Fokus. Auffällig ist dabei, dass diese Beschäftigung, über die ver-
schiedenen Fachdisziplinen hinweg, vor allem als ein interdisziplinäres Projekt
vorangetrieben wird (Kajetzke/Schroer 2010; Schroer 2012: 1; Günzel 2010;
Günzel 2009: 12). Die Wiederentdeckung des Raums in den Sozial- und Kultur-
wissenschaften findet gegenwärtig auch in soziologischen Debatten ihren Nie-
derschlag, während das Thema „Raum“ hier lange Zeit ein Schattendasein friste-
te (Schroer 2007: 17). 1 Nicht ohne Grund steht die Raumsoziologie dabei unter
1 Davon zeugen beispielsweise programmatische Schriften, wie Schroer (2007) und Löw (2001), die
das Aufkommen einer stärker theorienbasierten Raumsoziologie eingeläutet haben.
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