Geography Reference
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haben das Internet ins „real life“ geholt und damit gewissermaßen den
Cyberspace von drinnen nach draußen gestülpt (vgl. Abb. 1).
Das hat Piotr Czerki kürzlich in seinem Manifest „We, the Web Kids“ sehr
schön - und im Hinblick auf geographisch relevante Metaphoriken in
bemerkenswerter Weise - in Worte gefasst:
“We grew up with the Internet and on the Internet. This is what makes us different; this is what
makes the crucial, although surprising from your point of view, difference: we do not 'surf' and the
internet to us is not a 'place' or 'virtual space'. The Internet to us is not something external to reality
but a part of it: an invisible yet constantly present layer intertwined with the physical environment.
We do not use the Internet, we live on the Internet and along it.” Piotr Czerski 2012
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Mediologie
Was die mit dem umgestülpten Cyberspace und dem Internet in den Hosen-
taschen der Digital Natives zusammenhängende Allgegenwart digitaler
Informationsverarbeitung bedeutet - für die Kultur, die Gesellschaft, ihre
Institutionen, vielleicht insbesondere ihre Bildungsinstitutionen -, das lässt sich
wirklich erst ermessen aus einiger Entfernung. Wir müssen ein paar Schritte
zurücktreten und uns die Sache mit etwas historischem Abstand ansehen.
Dirk Baecker geht in seinen „Studien zur nächsten Gesellschaft“ aus, von
„nichts Geringerem [...] als der Vermutung, dass die Einführung des Computers
für die Gesellschaft ebenso dramatische Folgen hat wie zuvor nur die Einführung
der Sprache, der Schrift und des Buchdrucks.“ Er schließt damit an die von
Marshall McLuhan, Manuel Castells, Niklas Luhmann, Régis Debray und
anderen formulierte Ahnung an, „dass nur Weniges eine so große Bedeutung für
die Strukturen der Gesellschaft hat wie das jeweils dominierende Verbreitungs-
medium.“ Demnach konstituierte die Einführung der Sprache die Stammes-
gesellschaft, die Einführung der Schrift die antike Hochkultur, die Einführung
des Buchdrucks die moderne Gesellschaft und die Einführung des Computers die
„nächste Gesellschaft“ (Baecker 2007: 7).
Régis Debray fasst das je spezifische Zusammenspiel von technischem
Medium, symbolischer Form und kollektiver Organisation im Rahmen seiner
Mediologie mit dem Begriff der „Mediosphäre“. Debray hat drei große, durch
solche medientechnologischen Prägungen unterscheidbaren Epochen identifi-
ziert, die er analog zu Dirk Baecker als kulturelle Makromilieus versteht: Mit
„Logosphäre“ bezeichnet er die durch mündliche Tradierung und hand-
schriftliche Aufzeichnungen geprägte Mediosphäre, die durch sich soziologisch
als Stammesgesellschaft und antike Hochkultur darstellt. Sie dauerte bis in die
Renaissance, in der sowohl der Buchdruck als auch kurz vorher die in ihrer
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