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Libertalia -
Paradies für Reisbauern,
Viehzüchter, befreite
Sklaven und Piraten
wurde entwickelt, in der sich Madagassen,
Komorer, Engländer und Franzosen mitei-
nander unterhalten konnten.
Wirtschaftliche Basis des Staates waren
die traditionellen Berufe der Madagassen
und Komorer, Rinderzucht und Reisanbau.
Aber auch Beutezüge auf See gehörten
dazu. Die Seeräuber aus Libertalia - wie
die neue Stadt genannt wurde - galten als
„Gentlemen“, denn sie töteten ihre Gegner
nur im Kampf. Wer überlebte, konnte nach
Libertalia kommen und wurde als Gleicher
unter Gleichen aufgenommen. Alle erbeu-
teten Reichtümer wurden mit der Bevölke-
rung geteilt, Madagassen und Europäer
heirateten, und alle lebten weitgehend
nach den madagassischen Traditionen als
Viehhirten und Bauern. Und wenn sie nicht
gestorben wären …
Leider aber gab es neidische Nachbarn,
was sich auch unter portugiesischen Kolo-
nisten herumsprach. Diese versorgten die
Nachbarstämme mit Waffen und führten
sie in einen Krieg gegen Libertalia, als
François Misson gerade zu einem Raubzug
im Indischen Ozean unterwegs war. Als er
zurückkehrte, fand er sein Reich zerstört,
die Dörfer niedergebrannt, Frauen und Kin-
der ermordet. Mission verließ den Ort und
betätigte sich als Seeräuber - man hat nie
wieder von ihm gehört.
Die Geschichte von Libertalia entstammt
einem 1726 erschienenen „historischen“
Werk eines gewissen „Captain Charles
Johnson“ unter dem Titel „Leben und Werk
berühmter Räuber und Piraten“. Nachfor-
schungen ergaben, dass sich hinter dem
Pseudonym „Captain Charles Johnson“ der
Schriftsteller und Historiker Daniel Defoe
(„Robinson Crusoe“) verbarg. Möglicher-
weise hat Defoe Dichtung und historische
Wahrheit miteinander verwoben, um sei-
nen Teil zur Verbreitung der Ideen der Auf-
klärung beizutragen. Historisch gesichert
ist lediglich, dass berühmte Seeräuber wie
Captain Avery, Captain Kidd, Burgess und
Le Vasseur („La Buse“) mit ihren Schiffen in
die Bucht von Diego-Suarez gefahren sind
und einige Zeit in Nordmadagaskar lebten.
Ein junger französischer Adeliger namens
François Misson hatte beste Beziehungen
zum französischen Königshaus, eine erst-
klassige Ausbildung und besaß somit alle
Voraussetzungen für eine glänzende Kar-
riere am Hofe. Doch das reizte ihn offen-
bar nicht, und er ging zur See. Während
seiner Reisen im Mittelmeer lernte er den
Priester Caracciolo kennen. Sie verstanden
sich ausgezeichnet, denn beide setzten
sich mit den politischen Themen ihrer Zeit
auseinander und waren von den Ideen der
Aufklärung angetan. Als das Schiff, auf dem
sie auf ihrer ersten Reise in die Karibik dien-
ten, von Seeräubern überfallen wurde, ka-
men die Kommandanten um. Caracciolo
und Misson mussten daraufhin das Kom-
mando übernehmen. Sie kehrten jedoch
nicht auf direktem Wege zurück, sondern
hatten den Ehrgeiz, herauszufinden, wie
man in östlicher Richtung nach Indien ge-
langt. Bei einem Aufenthalt auf der Ko-
moreninsel Anjouan freundeten sie sich je-
doch mit einer lokalen Fürstin an und be-
schlossen, für einige Jahre zu bleiben.
Während dieser Zeit reiften Pläne, eine
freiheitliche Republik nach den Ideen der
Aufklärung zu gründen, in der es keine
Herren und keine Sklaven geben sollte.
Die Beiden gewannen Seeräuber, Frei-
beuter und Sklavenhändler für ihre Idee
und wählten die Nordspitze Madagaskars
als Ort, um ihren Traum von einer egalitä-
ren Welt zu verwirklichen. Die Komoren-
fürstin schickte einige hundert Untertanen
als Siedler zum auserkorenen Platz. Es ent-
stand eine Stadt, in der alle gleichberech-
tigt waren, egal welche Hautfarbe sie hat-
ten, welcher Religion sie angehörten und
welche Sprache sie sprachen. Es gab Wah-
len, ein Parlament, Gesetze, sogar eine ei-
gene Kunstsprache ähnlich dem Esperanto
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