Travel Reference
In-Depth Information
Zu Besuch bei den Toten
gen uns mit Hilfe eines deutsch-madagassi-
schen Wörterbuchs. Im Festzelt spielt eine
professionelle Musikgruppe auf: Katzenmu-
sik für unsere Ohren, doch beste Tanzmu-
sik für die Einheimischen. Wenn die Band
pausiert, ertönt zeitgenössische Popmusik
aus der Stereoanlage. Eine problemlose Mi-
schung von Tradition und Moderne, der
man in Madagaskar häufig begegnet.
Am frühen Nachmittag brechen wir zum
Familiengrab auf, welches eine gute halbe
Stunde oberhalb des Dorfs auf einem Hü-
gel liegt. Eine lange Menschenschlange
marschiert den Hang hinauf, ältere Perso-
nen werden gestützt oder getragen, Tische
werden hochgeschleppt, ebenso Getränke
und Esswaren. Die Leute lassen sich im
Gras nieder, die Band fängt an zu spielen,
und zwei Familienangehörige beginnen,
den Eingang zum Steingrab freizuschau-
feln. Immer noch treffen neue Gäste ein. Ei-
nige tanzen, andere ziehen es vor, dem
Treiben gemütlich zuzuschauen. Sobald
der Eingang freigeschaufelt ist, erzählt der
Dorfälteste, auf dem Grab neben einer ma-
dagassischen Flagge stehend, aus dem Le-
ben der Familie. Immer wieder unterbricht
er seine Rede, um eigens für uns seine
Worte in Französisch zusammenzufassen.
Die Musik wird lauter, als der erste in De-
cken gehüllte und in eine Strohmatte ge-
wickelte Tote aus dem Grab geholt wird
und auf den Schultern von tanzenden Män-
nern die Runde macht. Unterdessen ist es
spät geworden und Michel drängt zum Auf-
bruch. So nehmen wir Abschied von den
Feiernden und brechen auf.
Von Sanne Friedrich
und Thomas Meier, Zürich
Michel, unser Führer, hatte angeboten, uns
zu einer Totenfeier mitzunehmen, denn -
so sagte er - eine befreundete Familie wün-
sche sich „Vazahas“ als Gäste und Zeugen.
Gerne waren wir bereit, sein Angebot an-
zunehmen und das Ansehen der gastge-
benden Familie zu mehren.
Es ist später Morgen und zusammen mit
acht anderen Reisenden sind wir auf einer
guten Straße durch Reisterrassen des ma-
dagassischen Hochlands unterwegs. Trotz
der winterlichen Jahreszeit - es ist Ende Ju-
li - scheint die Sonne herrlich warm. Ge-
gen Mittag erreichen wir ein abseits des
Dorfes stehendes Haus. Auf einer Wiese
haben sich zwei- bis dreihundert Personen
- Männer, Frauen und Kinder - auf dem
Boden niedergelassen und essen das Fest-
mahl, das - wie könnte es anders sein? -
aus Zebufleisch und Reis besteht. Wir dür-
fen uns im schützenden Schatten des Hau-
ses auf Strohmatten setzen. Das Familien-
oberhaupt begrüßt uns und bedankt sich,
dass wir seiner Einladung gefolgt sind. Er
bietet uns selbstgebrannten - von einer
üblen Duftnote begleiteten - Rum an. Wir
trinken einen Schluck, ziehen aber später
das madagassische Bier vor.
Nach dem Essen sehen wir uns auf dem
Festgelände um, wo vor allem die Frauen
großes Interesse an uns zeigen. Kaum eine
spricht aber Französisch, und wir verständi-
Search WWH ::




Custom Search