Travel Reference
In-Depth Information
den Eindruck erweckte, in Madagas-
kar sei ein Bürgerkrieg im Gange: Die
Forces Vives
hatten am Sonntag, den
10. August 1991, zu einem Protest-
marsch vom Zentrum der Hauptstadt
zum Palast des Präsidenten im Stadt-
teil Iavoloha aufgerufen, um ihn zum
Verzicht auf alle Machtpositionen zu
bewegen. Etwa 100.000 Schüler und
Studenten waren bis vor die Tore des
Präsidentenpalastes in einem Vorort
an der Straße nach Antsirabe gezo-
gen. Dort forderte die Menge den Prä-
sidenten mit Plakaten und Rufen zum
sofortigen Rücktritt auf. Ihr standen
die Soldaten des Präsidenten mit stei-
nernen Gesichtern gegenüber. Plötz-
lich fielen Schüsse, ein Hubschrauber
kreiste über den Demonstranten, die
angsterfüllt und panisch zu fliehen ver-
suchten. Einige Detonationen waren
zu hören. Das Ergebnis: Dreißig Tote,
viele Verletzte und ein völliger
Still-
stand des öffentlichen Lebens
für die
folgenden Wochen. Läden blieben ge-
schlossen, Banken reduzierten ihre Tä-
tigkeit auf einen Notdienst, Regie-
rungsbeamte blieben den Büros fern.
Erst als Präsident
Ratsiraka
einlenkte
und sich mit einer Übergangsregie-
rung und der Ausarbeitung einer neu-
en Verfassung einverstanden erklärte,
erwachte das Land wieder zum Leben.
Da sich das Militär auch nach dem
Schreckenstag des 10. August 1991
keiner der Streitparteien als Machtin-
strument zur Verfügung stellte, musste
schließlich ein Kompromiss gefunden
werden, der zur
Gründung einer pro-
visorischen Regierung
unter der
Führung der
Forces Vives
führte. Diese
bereitete weitgehende
Gesetzesände-
rungen
vor und löste mit Wirkung
zum 1. Januar 1992 den Revolutions-
rat auf. Die neu ausgearbeitete Verfas-
sung wurde in einer Volksabstimmung
mehrheitlich angenommen, der Über-
gang vom Einparteiensystem zur
par-
lamentarischen Demokratie
erfolgte
weitgehend friedlich. Nur in Antsirana-
na (Diego-Suarez) und Toliara (Tuléar)
gab es einzelne Schießereien, in ande-
ren Städten hin und wieder ein blaues
Auge.
Am 10. Februar
1993
fand schließ-
lich eine entscheidende
Präsident-
schaftswahl
statt, bei der sich als die
zwei stärksten Kandidaten Präsident
Didier Ratsiraka
und
Dr. Albert Zafy
gegenüberstanden. Trotz der starken
Unterstützung, die
Ratsiraka
aus den
Küstengebieten, insbesondere aus sei-
ner Heimatprovinz Toamasina (Tama-
tave), erhielt, unterlag er mit nur 30%
der Stimmen. Der neue Präsident
stand vor der schwierigen Aufgabe,
die daniederliegende Wirtschaft zu sa-
nieren und die Hoffnung der Bevölke-
rung auf eine Linderung der Not und
Armut zu erfüllen.
Didier Ratsiraka
ge-
noss währenddessen in Frankreich sei-
ne während der Amtszeit angesam-
melten Reichtümer und hielt sich poli-
tisch im Hintergrund, darauf spekulie-
rend, dass die Enttäuschung in der Be-
völkerung wachsen würde, wenn der
wirtschaftliche Aufschwung nicht
schnell erfolgte.
1996
war es soweit,
die Bevölkerung war unzufrieden mit
den Folgen der wirtschaftlichen Libe-
ralisierung, die zu Preissteigerungen
bei den Grundnahrungsmitteln ge-