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wiLLiAM BOOth uND DiE hEiLSArMEE
Als am frühen Abend des 2. Juli 1865 auf
der Mile End Road mitten im verrufenen
Eastend der Prediger William Booth eine
Holzkiste auf dem Bürgersteig postiert und
von dort aus eine spontane, von christli-
cher Ethik und Nächstenliebe getragene
Ansprache an die Passanten hält, hat es
eher den Anschein, als ob Booth das Ende
seiner Rede nicht erleben wird. Dem „Mo-
ralapostel“, wie er den Eastenders zu An-
fang vorkommt, fliegen Dreckklumpen
entgegen und sogar eine tote Katze, so
weiß die Überlieferung, schleudert irgend-
jemand. Booth predigt scheinbar unge-
rührt weiter und trotz des Aufruhrs wird
einigen Zuhörern klar, dass dieser Mann
sich wirklich für ihre Sorgen und Nöte in-
teressiert. Ein paar Leute kann der Pre-
diger überzeugen, mit ihnen betet er am
Ende seiner Ansprache für bessere Zeiten.
In den folgenden 13 Jahren wird Booth
eine bekannte Erscheinung im Viertel, ver-
eint christlichen Zuspruch mit tatkräftiger
Hilfe und betreut mit einigen wenigen frei-
willigen Helfern die Armen des Eastend.
Größerer Erfolg bei der Bekämpfung des
Elends bleibt ihm allerdings vorerst ver-
sagt, trotz all seines Engagements trauen
ihm nur wenige Leute über den Weg und
suchen seine Hilfe. 1878 hat Booth plötz-
lich eine merkwürdige Idee: Da er ja einen
Krieg gegen Armut und Hoffnungslosigkeit
führt, warum soll er da nicht eine Armee
auf die Beine stellen, eine richtige Streit-
kraft, deren Soldaten mit Uniformen, Fah-
nen, Marschkapellen und Rangabzeichen
ausgerüstet sind? Und so geschieht es!
Von solcher Art Idee sind auch die
Eastenders begeistert, mit einer Armee -
jawohl -, damit können sich auch die Män-
ner des Viertels anfreunden. Der Erfolg der
Heilsarmee lässt nicht lange auf sich war-
ten. Booth - nun nur noch der „General“
genannt - und seine Mannen bekommen
Zulauf, können endlich in großem Um-
fang Leib und Seele der Eastenders betreu-
en. Rückschläge bleiben in der Anfangszeit
jedoch nicht aus. Die Zuhälter, Bordell-
und Pubwirte, denen aufgrund der Predig-
ten des Generals die Kundschaft wegbleibt,
rekrutieren Prügelbanden und gehen so
gegen die Heilsarmee vor. Nun bricht ein
wirklicher Krieg aus! Die „Skelettarmee“,
wie die Schlägergruppe genannt wird,
überfällt die Versammlungen, prügelt die
Teilnehmer nieder und bald ist aufseiten
der „Salvation Army“ das erste Todesopfer
zu beklagen: Suzannah Beatty, eine Akti-
vistin gegen das Elend, wird durch Stein-
würfe getötet.
1888 eröffnet William Booth in einem
leerstehenden Lagerhaus das erste Asyl,
in dem die Obdachlosen für die Nacht
ein Dach über dem Kopf finden und eine
Abendmahlzeit erhalten. Geschlafen wird
in Bretterkisten, die eher an Särge als an
Betten erinnern. Ab nun schießt eine neue
Institution nach der nächsten aus dem Bo-
den: Allerorten eröffnen Suppenküchen
ihre Pforten, Heime für Strafentlassene
und Alkoholiker werden eingerichtet, „Be-
kehrungszentren“ für Prostituierte gegrün-
det, eine Suchkartei für Vermisste organi-
siert und eine Bank gibt kleinen Handwer-
kern und Hilfesuchenden Kredite.
Als William Booth im Jahre 1912 stirbt,
hat die Heilsarmee bereits Niederlassun-
gen in 58 Ländern.
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