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2 Shilling an den Fiskus abgeführt wer-
den. Doch schon vier Jahre später gelang
es der Grundbesitzerlobby, dieses Ge-
setz zu torpedieren. Schärfere Maßnah-
men der Regierung führten 1736 zu ge-
walttätigen Ausschreitungen, auch diese
Prohibitionsmaßnahme verkam daher
rasch zu Makulatur.
Um 1751 hatte die weitverbreitete
Trunksucht dann derartige Dimensio-
nen erreicht, dass das Parlament unter
Zugzwang geriet. Vorausgegangen wa-
ren ein Untersuchungsbericht von Hen-
ry Fielding (1707-1754), der 1749 mit
seinem sozialkritischen Roman „Tom
Jones“ auf sich aufmerksam gemacht
hatte, und die Bildfolgen „Beer Street“
und „Gin Lane“ des Kupferstechers Wil-
liam Hogarth (1697-1764). Überdies
sorgten der öffentliche Druck, ärztliche
Gutachten, die Publikation der spekta-
kulärsten Fälle sowie die mit dem Alko-
holismus einhergehenden sozialen und
kriminellen Folgeerscheinungen endlich
für staatliche Maßnahmen. Bekannt ge-
worden war z. B. der Fall von Judith Du-
four: Kaum war das zweijährige Kind der
jungen Frau im Armenhaus neu einge-
kleidet worden, erdrosselte Judith das
Baby und tauschte die Kleidungsstü-
cke gegen Gin ein. Judith Dufours Mut-
ter gab zu Protokoll, dass ihre Tochter
„nie mehr klar im Kopf gewesen und un-
ablässig herumgestrichen“ sei. Im Som-
mer 1751 trat der Gin Act in Kraft, die
Regierung schob nun endlich der Leib
und Seele zerstörenden Trunksucht ei-
nen Riegel vor und erließ entsprechen-
de Gesetze. Abstinent aber wurden die
Massen keineswegs, Bier - das ja Ho-
garth als sympathisches Getränk durch
seinen Bilderzyklus eingeführt hatte -
galt nun als bevorzugtes Rauschmittel.
Vorerst regte sich dagegen kein Wider-
stand. Bier hatte, wie in Deutschland
auch, den Ruf eines Volksnahrungsmit-
tels, löste nach weitverbreiteter Mei-
nung Fröhlichkeit und Geselligkeit aus
und ein Bierrausch war eine höchst an-
ständige Sache, wie Daniel Defoe öffent-
lich kundtat: „Ein mit Anstand betrunke-
ner (Bier trinkender) Kerl ist aller Ehren
wert!“ Freudig reagierten die Brauereien
auf diese neue Entwicklung und gehör-
ten rasch zu den expandierenden Wirt-
schaftsbetrieben. 1786/87 brachten die
Bierbrauer 1,68 Mio. Hektoliter in die
Londoner Kneipen (das entsprach 240 l
pro Kopf und Jahr). Ein Jahrhundert spä-
ter (1878) gründete William Booth die
Heilsarmee (s. S. 207)!
Doch die Geschichte des Eastend als
Armenviertel war damit keineswegs abge-
schlossen. Im 19. Jh. blühte die Prostituti-
on in den schäbigen Gassen. Unbedarfte
Mädchen vom Lande, die sich in der Stadt
als Dienstboten verdingen wollten, lande-
ten zu Scharen in den Bordellen. Aus dem
Blickwinkel der Männerwelt beschreibt
der Roman „Fanny Hill“ einen Lebens-
weg, den mit solcher Fröhlichkeit nur we-
nige der jungen Frauen gegangen sind.
1845-1847 forderte die Große Hun-
gersnot in Irland über 1 Mio. Tote. Die
Kartoffel, das Hauptnahrungsmittel auf
der „Grünen Insel“, wurde von der Braun-
fäule, dem „Brand“, befallen. Innerhalb
nur weniger Wochen sorgte ein Pilz (Phy-
tophtora infestus) dafür, dass die Pflan-
zen abstarben, das Feld erst braun, dann
schwarz wurde und fürchterlich stank.
500.000 Iren wanderten aus, viele in
die Vereinigten Staaten, noch mehr ins
Eastend.
Mit der beginnenden Industriellen Re-
volution stieg das Elend weiter an. 1845
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