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Unbeschreiblich, was sich vor, während
und nach den Vorstellungen tat: Schon
kurz nach Mittag strömte das Volk in die
Maid Lane, alle umliegenden Straßen wa-
ren verstopft - schließlich besaß das Globe
2000 Plätze (einer anderen Quelle zufol-
ge sollen es gar 3000 gewesen sein). Hef-
tiges Gedränge und Geschiebe herrsch-
ten vor dem Eingang, unter Zuhilfenah-
me der Ellbogen und mit heftiger Pöbelei
kämpften sich die Schaulustigen an die
Kasse vor. Der billigste Platz, auf dem die
„groundlings“ sich niederließen, kostete
einen Penny - zur damaligen Zeit immer-
hin ein Zehntel des durchschnittlichen Ta-
gesverdienstes. In den überdachten Galeri-
en hatte man zwei Pennies zu zahlen und
hoch oben in den Logen war man mit drei
Pennies dabei. Während der Aufführung
wurde gegessen, aber noch mehr getrun-
ken und die schwer alkoholisierten Gäs-
te randalierten, rülpsten und furzten in
die Menge.
Schmetternde Fanfarenstöße zeigten
den Beginn eines neuen Aktes an und ver-
suchten, die Aufmerksamkeit der Massen
auf das Stück zu lenken: Jede Szene, jeder
Satz wurde vom Publikum lautstark kom-
mentiert, sprachgewaltige Zuschauer und
schlagfertige Bühnenakteure lieferten sich
Rededuelle und feuerten sich gegenseitig
an: Das Fußgetrampel, das Gejohle und
Gelache, aber auch das tränenreiche Ge-
schluchze und nicht minder eine entsetz-
te Stille, wenn das Drama seinem Höhe-
punkt zustrebte, müssen in weitem Um-
kreis wahrgenommen worden sein. Wäh-
rend der Pausen sorgten Gaukler und
Spaßvögel für die Kurzweil der Gäste und
ließen rüde Beschimpfungen, aber auch
die abgenagten Knochen von Hühnerbei-
nen auf sich niedergehen.
Am 29. Juni 1613 stand das Stück
„Heinrich VIII.“ auf dem Spielplan. Wäh-
rend der Szene, in der der König das Haus
seines Lordkanzlers Wolsey betritt, feu-
erten die Bühnenarbeiter zur Steigerung
der Spannung eine Kanone ab. Der da-
bei entstandene Funkenflug erhob sich
bis ins Dach und setzte das trockene Ge-
bälk in Brand. Innerhalb von nur zwei
Stunden brannte das Globe bis auf die
Grundmauern nieder. Glücklicherwei-
se kam niemand zu Schaden. Wie der Au-
genzeuge Sir Henry Wotton überlieferte,
„fingen nur bei einem Mann die Pluder-
hosen Feuer und er wäre gegrillt worden,
hätte nicht ein vorsorglicher Witzbold
den Brand mit dem Inhalt einer Flasche
Ale gelöscht.“ Unverzüglich ging man da-
÷ gLoBE thEatRE ***
[P13]
der Financial Times, die um die Ecke ihre
Redaktion haben, suchten sich für den
mittäglichen Lunch ein anderes Domizil,
um ihre Mahlzeiten in ruhigerem Fahr-
wasser abseits der Touristenströme zu
genießen.
µ 34 Park Street, Bankside, Tel. 740771577,
U-Bahn London Bridge
Am Ende der Straße Bear Gardens errei-
chen wir am Ufer der Themse Bankside.
Hier befanden sich zu Shakespeares Zeit
die Bankside Stewes, eine große Zahl
von Bordellen. Zwar hatte schon Hein-
rich VIII. versucht, diese Institutionen zu
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