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noch für seinen Lebensunterhalt zu zah-
len. Die Haftbedingungen waren derart
monströs, dass einem diese Namen in
der gesamten englischen Literatur im-
mer wieder begegnen - allerdings erfuh-
ren auch viele berühmte Literaten am ei-
genen Leib, wie es in den Zellen zuging
(wir kommen darauf zurück).
Da es keinerlei administrative Restrik-
tionen und auch keine Zensur gab, war
Southwark der geeignete Ort für die in
der elisabethanischen Ära aufblühenden
Theater, von denen Shakespeares Globe
die größte Berühmtheit erlangte.
Auch die „verachteten Gewerbe“, die
stinkenden Abdeckereien und Gerberbe-
triebe, Brauereien, Seifen- und Kerzen-
hersteller, waren den strengen Zunftbe-
stimmungen der City nicht unterwor-
fen und produzierten in einem nahezu
rechtsfreien Raum. Als Mitte des 16. Jh.
weite Teile des Borough gegen ein Ent-
gelt von 1000 Pfund an die City verkauft
wurden und damit unter die behördli-
chen Fittiche genommen wurden, änder-
te sich am „liederlichen“ Leben in diesem
Quartier nur wenig. Zu sehr hatte das
Volk die erholsamen Ausschweifungen
genossen, als dass es sich diese wieder
hätte nehmen lassen. Zudem waren zwei
Areale vom Verkauf ausgenommen: ein-
mal das Gelände um das Clink-Gefäng-
nis, zum anderen das daran angrenzen-
de Gebiet von Paris Gardens. Hier durf-
te nach wie vor ganz offiziell derb gelebt
werden und hier ließen sich die berühm-
ten Theater und Vergnügungsstätten
nieder: das Globe, das Swan, das Rose,
das Blackfriars und der Bear Garden!
Die City-Autoritäten versuchten den-
noch, einzugreifen: Am 28. Juli 1598 ging
ein Brief in Southwark ein, der die „ge-
meinen Ausschweifungen der Bühnenstü-
cke“ anprangerte, „in denen nichts als
profane Legenden, laszive Verhaltenswei-
sen, üble Ratschläge und skurriles Beneh-
men fortgesetzt dargestellt wurden“. Na-
türlich unternahm man keine Maßnah-
men, um den städtischen Moralaposteln
entgegenzukommen.
Southwark, aufgrund solcher Freizü-
gigkeiten von jeher dicht besiedelt, erlebte
während der Viktorianischen Epoche ei-
nen weiteren Bevölkerungszustrom. Die
Dockanlagen, Speicherhäuser und Werf-
ten wurden ausgebaut, Bahnhöfe entstan-
den und Schienenstränge durchschnitten
das Quartier. Southwark wucherte wei-
ter nach Süden aus und vereinnahmte
eine Reihe von einst selbstständigen Ge-
meinden.
In den letzten Jahren hat sich viel am
südlichen Themseufer getan, die Dockan-
lagen wurden restauriert, allerorts schie-
ßen neue Gebäude aus dem Boden und nur
wenig ist aus der damaligen Zeit erhalten
geblieben. Der Besucher muss auf seinem
Erkundungsgang viel Fantasie walten las-
sen, will er sich die Atmosphäre jener ver-
gangenen Tage vergegenwärtigen. Neben
der City ist Southwark sicher eines der be-
deutendsten historischen Viertel der Met-
ropole (wenngleich nur wenig Geschichts-
trächtiges noch zu sehen ist). Mit der Ein-
weihung des neuen, originalgetreu nach-
gebauten Globe Theatre sowie der Tate
Modern erlangte dieser Stadtteil auch in-
ternational touristische Bedeutung.
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