Environmental Engineering Reference
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Ganz aufhalten lässt sich der Klimawandel nicht mehr. Ein entschlossenes Gegensteuern
könnte jedoch die Klimafolgen in überschaubaren Grenzen halten und das Klima weitge-
hend retten. Unterbleibt ein Kurswechsel in den nächsten 10 Jahren, wird der Klimawandel
sehr schnell einen „Point of no return“ erreichen und wäre faktisch nicht mehr aufzuhalten.
Tabelle 2.3 zeigt, in welche Richtung sich heute noch die Weichen stellen lassen. Im
schlimmsten Fall taut das komplette arktische Eis ab. Alleine das Abschmelzen des Grön-
landeises könnte in den nächsten Jahrhunderten einen Meeresspiegelanstieg um 7 Meter
verursachen. Dabei wird der Anstieg der Meeresspiegel weltweit nicht gleichartig verlau-
fen. In Deutschland könnte der Anstieg erst mit Verzögerungen auftreten. Langfristig
werden aber auch wir nicht verschont bleiben. Abbildung 2.10 zeigt, welche Auswirkungen
ein Meeresspiegelanstieg von 7 Metern auf Deutschland hätte.
2.3.1
Wird es in Europa bitterkalt?
Bereits im Jahr 1987 warnte der amerikanische Klimaforscher Walace Broecker in einem
aufsehenerregenden Artikel mit dem Titel „Unpleasant Surprises in the Greenhouse“ (Un-
angenehme Überraschungen im Treibhaus) vor möglichen Überraschungen des Treibhaus-
effekts, die auch uns besonders hart treffen können: Durch die globale Erwärmung könnte
es nämlich in Europa paradoxerweise bitterkalt werden.
Bei der Untersuchung der Klimageschichte aus Eis-Bohrkernen im Grönlandeis stellten
Klimaforscher fest, dass unser heutiges Weltklima ziemlich stabil ist - allerdings erst seit
etwa 10 000 Jahren. Die durchschnittliche jährliche Temperatur der Erde wich in dieser
Zeit nie mehr als ein Grad vom langjährigen Mittelwert ab. Blickte man jedoch noch 2000
Jahre weiter zurück, konnte man sehr große Temperatursprünge auch in kurzen Zeiträumen
von nur wenigen Jahren feststellen. Bisher hatte man immer geglaubt, dass Temperaturver-
änderungen wie der Übergang von Eis- zu Warmzeiten nur sehr langsam ablaufen. Doch
diese Meinung musste aufgrund der Bohrkernuntersuchungen korrigiert werden.
Heute geht man davon aus, dass das Klima zu sprunghaften Veränderungen neigt, also ein
stark nichtlineares System ist [Rah99] . Lineare Systeme sind sehr einfach zu verstehen. Je
stärker der Reiz ist, desto deutlicher ist ihre Reaktion. Ein Wasserhahn ist beispielsweise
ein näherungsweise lineares System. Bei zwei Umdrehungen fließt die doppelte Menge an
Wasser als bei einer. Beim Klima handelt es sich um ein komplexes nichtlineares System.
Dieses reguliert sich zunächst selbst und springt dann plötzlich in einen anderen Zustand,
wenn ein kritischer Punkt erreicht ist. Ein Beispiel hierfür ist der menschliche Körper. Er
ist in der Lage, seine Körpertemperatur selbst bei großen Temperaturänderungen ziemlich
konstant auf 37 Grad Celsius zu halten. Wird er jedoch stark unterkühlt, sinkt ab einem
gewissen Punkt die Körpertemperatur schnell ab.
Ein Beispiel für sehr sprunghafte Klimaänderungen zeigt die Sahara. Vor einigen Tausend
Jahren war die Sahara grün. Die dortige Vegetation zog feuchte Atlantikluft und Monsun-
regen an. Durch sehr kleine Änderungen der Erdbahn und der Erdachsenneigung wurden
die Bedingungen für den Monsunregen im Laufe der Jahrtausende immer schlechter. Der
Vegetation gelang es, sich bis zu einem gewissen Punkt vor etwa 5500 Jahren zu halten.
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