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le in den Nebenstraßen verschwunden.
Einen erwischen die Staatsdiener den-
noch, aber nach der Aufnahme sei-
ner Personalien kann der Mann wie-
der gehen.
Weiter geht es zum Strand. Ganz
in der Nähe wurde in den 1970er-Jah-
ren der Schriftsteller und Filmemacher
Pier Paolo Pasolini von einem Strich-
jungen ermordet. Der gelbe Bus der Li-
nie 61 ist schon überfüllt. Kein einzi-
ger Fahrgast scheint Italiener zu sein.
Einer packt eine Ziehharmonika aus
und spielt ein Zigeunerlied. Der Bus
hält am Paradise Beach. Zuerst stei-
gen einige Inder aus. In ihren zusam-
mengerollten Strohmatten verbergen
sie ihre Ware - Sonnenhüte und -bril-
len, Bikinis, Shorts und Wasserpisto-
len -, die sie gleich ihrer italienischen
Kundschaft am Strand anbieten wer-
den. Im nächsten Bus kommen Men-
schen asiatischer Herkunft.
„Viele sind spezialisiert auf Massa-
gen, spottbillig!“, sagt die dicke Wir-
tin im Strandrestaurant „Ar Zagaja“.
Und wirklich: Die Vietnamesin Lu Yi
nimmt für eine Ganzkörpermassage
20 Euro, für feste Kunden ist sie im-
mer auf dem Handy zu erreichen. Lu
Yi bearbeitet gerade den Rücken von
Olimpia, einer Rumänin, die früher
als Putzfrau in den Villen der Reichen
gearbeitet hat. Jetzt hat sie einen Ita-
liener aus der Mittelschicht kennen-
und lieben gelernt, der als Angestellter
am nahe gelegenen Flughafen Fiumi-
cino arbeitet. Olimpia hat es geschafft
und freut sich, dass auch sie endlich
am Strand von Ostia eine Massage ge-
nießen kann und dass bald eine itali-
enisch-rumänische Hochzeit gefeiert
wird.
Oben an der Hauptstraße betreiben
zwei Nordafrikaner einen Parkplatz-
service. Man parkt sein Auto in der
zweiten Reihe, gibt einem der Männer
die Schlüssel und zwei Euro. Sobald
sich eine freie Parklücke auftut, wird
der Wagen von den selbsternannten
Parkwächtern in die nächste sich öff-
nende Lücke umgesetzt.
An der Kreuzung zur Via Cristofe-
ro Colombo treffen wir Ludwik, einen
Polen aus Warschau. Er steht seit Jah-
ren täglich hier und putzt auf Nach-
frage die Scheiben der Autos während
der langen Rotphase der Ampel. Hin-
ter ihm läuft ein kleiner Junge, nicht
älter als zwölf Jahre, der den Autofah-
rern Tempotaschentücher und Duft-
bäume für das Wageninnere anbietet,
auch er kein Italiener.
Alle Ausländer, die uns an diesem ei-
nen Tag in Ostia begegnet sind, leben
illegal in Italien und hoffen, bei der
nächsten Legalisierungsaktion der Re-
gierung eine Aufenthaltsgenehmigung
zu erhalten. Und niemand hier würde
auf die Idee kommen, ihre Daseinsbe-
rechtigung anzuzweifeln, nicht einmal
die beiden Beamten der Finanzwache,
die in ihrem Fiat an der Uferstraße
vor sich hindösen. Schließlich möchte
keiner auf die preiswerten Massa-
gen verzichten, auf den Parkservice
oder auf die 5-Euro-CDs und vor al-
lem möchte die Mafia auch weiterhin
ihre gefälschten Designertaschen ver-
kaufen.
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