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rundherum tragen die Patina längst
vergangener Zeiten, die Anordnung
der Gebäude wirkt ungeplant, gera-
dezu chaotisch. Das Denkmal in der
Mitte des Platzes zeigt Giordano Bru-
no, den Ketzer. Er wurde hier im Jahr
1600 von den Schergen des Vatikan
lebendig verbrannt, weil er sich wei-
gerte, seine Überzeugungen, die dem
Unfehlbarkeitsanspruch der Kirche
widersprachen, öffentlich zu wider-
rufen. Die Enthüllung des Denkmals
1887 war eine politische Demonstra-
tion des liberalen Italien gegen den
Vatikan. Seitdem wird die Statue von
den Linken in Rom als Symbol für ein
aufgeklärtes, freidenkerisches Men-
schenbild angesehen. Einmal im Jahr
legt die Vereinigung für die Verbrei-
tung des Atheismus in der Welt am
Denkmal einen Kranz nieder. Im Jah-
re 1975 fand hier die Trauerfeier für
den ermordeten querköpfigen Dich-
ter, Schriftsteller und Filmemacher
Pier Paolo Pasolini statt.
Nach der Verbrennung Giordano
Brunos wurde der Campo regelmäßig
als Hinrichtungsstätte benutzt, woran
die enge Via della Corda (Straße des
Stricks), die vom Platz hinunter zum
Tiber führt, noch heute erinnert.
Zu Cäsars Zeiten lag der Campo
weit außerhalb der Stadt. Pompejus,
Cäsars Rivale, ließ hier das erste Mar-
mortheater Roms errichten. Im Mit-
telalter geriet die sumpfige Gegend in
der Tiberschleife völlig in Vergessen-
heit, der heutige Name erinnert noch
daran - Campo de' Fiori heißt Blumen-
acker. Auch der Campo erblühte erst
wieder nach der Rückkehr der Päpste
aus dem Exil in Avignon. Im 15. Jahr-
hundert befand sich hier das Zent-
rum des wiedererwachenden Roms.
Während der Studentenrevolte im
Jahr 1968 war der Campo Schauplatz
der Auseinandersetzungen zwischen
Polizei und Studenten. Eine Tafel in
der Via degli Specchi erinnert daran,
dass auch hier ein Student dem
Schuss eines übereifrigen Ordnungs-
hüters zum Opfer fiel: „Hinweggerafft
vom Blei des Staates, während er sei-
nen Klassenhass gegen die bürgerli-
che Justiz manifestierte“, steht da in
Goldlettern.
In den Jahren zwischen 1951 und
1976 sank die Einwohnerzahl der In-
nenstadt von 424.000 auf 160.000.
Das ständige Ansteigen der Miet- und
Bodenpreise vertrieb die ansässi-
ge Bevölkerung. Die Menschen um
den Campo de' Fiori wehrten sich am
längsten gegen diese Entwicklung:
Erst Ende der 1960er-Jahre gaben
auch sie nach und wanderten in an-
dere Stadtbezirke ab. Fabrizio, des-
sen Großvater hier schon Obst und
Gemüse verkaufte, sagt dazu: „Hier
lebt doch keiner mehr, unsere Woh-
nungen gehören den reichen Auslän-
dern, die höchstens einmal im Jahr
für drei Wochen vorbeischauen.“ Der
prominenteste Wohnungsbesitzer am
Campo de' Fiori ist der amerikanische
Filmregisseur Francis Ford Coppola.
Abends ist der Campo chronisch
überfüllt. Die zahlreichen Kneipen zie-
hen ein meist jugendliches Publikum
an. Es handelt sich um einen echten
Volksplatz mit allen Höhen und Tie-
fen, die das Leben zu bieten hat. Hier
wurde gestorben und geliebt, gefeiert
und geweint, demonstriert und ge-
trunken - typisch römisch eben.
1960 waren noch 130 Marktschir-
me auf dem Campo zu sehen, heut-
zutage sind es nur noch 56 und ihre
Zahl nimmt ständig ab. Es ist schade
um den Markt, der hier täglich (auch
Mohrenbrunnen auf der
Piazza Navona Ø
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