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Die Trolle
Früher als in der Ebene verschwindet die Sonne. Blutrot versinkt sie hinter den Felsgigan-
ten. Entfacht ein himmlisches Feuer, das recht bald in graublauer Finsternis erstickt. Nebel
zieht auf. Der Wald bekommt Augen. Wolken bilden Schaumbärte. Die runden Berge
verschwimmen zu greisen, mächtigen Trollen. Der Riesen Zepter ist eine umgestürzte
Fichte, ihr Reich beginnt gleich hinter dem letzten Haus. Dort, direkt hinter dem Zaun,
liegt die unnahbare, düstere Heimat des Waldtrolls (Skogtroll), eines furchtbaren Gesel-
len mit Haaren aus Moosen und langen Flechten; und da, unmittelbar nebenan, im klei-
nen Teich mit seinem grünen Überzug aus Entengrütze und Seerosen das ewig finstre
Heim des hinterlistigen Nøkk. Schon manch arme Seele, die, angelockt von seinen gol-
den funkelnden Augen, zu nah ans Ufer trat, riss er in die Tiefe.
Dagegen ist sein Nachbar, der hinter Wasserfällen hausende Fossegrimen, geradezu
nett, denn ihn hört man nicht selten zum dumpf rauschenden Wasser mit seiner zarten Fi-
del eine Erdensymphonie komponieren.
Gefährlicher ist da schon der Draugen. Er haust im Meer, erscheint in Gestalt der in
den Fluten Ertrunkenen und kündet so von Unheil und Tod.
Auf andere Art nimmt die Huldra, ein weiblicher Troll, die Menschlein für sich ein.
Ihrem Werben und ihrer unsagbaren Grazie kann kein Mann widerstehen. Allein, ihre
Schönheit verunstaltet ein Pferdeschwanz, welchen sie nur verlieren kann, so ein sicher
tragischer Held mit ihr den Bund der Ehe einginge.
Das hässliche Gegenteil zur Huldra sind die mürrischen, launischen und nicht selten,
oh Graus, mehrköpfigen Bergtrolle. Ihre Heimat ist das raue Trollheimen, das sie von
Zeit zu Zeit über den Trollstigen, die Troll-Leiter, verlassen. Da heißt es auch am Tage auf-
gepasst! Nur allzu leicht verscherzt man es sich mit einem solchen Bergriesen. Aber sein
Gemüt ist schlicht, und ein einfaches Steintürmchen erwärmt sein kaltes Herz. Auch kann
es sein, dass er Milde walten lässt, da er sich gerade auf einer viele Tausende Jahre dau-
ernden Reise nach Jotunheimen ins Reich der Jotun-Trolle befindet, wo im golden glän-
zenden Soria-Moria-Schloss eine, vielleicht ja seine, überschwengliche Hochzeit stattfin-
den soll.
Ob zu dieser auch die Nisser eingeladen werden, ist fraglich, sind sie doch wesentlich
kleiner und - ziemlich allein auf weiter Troll-Flur - dem Menschen wohl gesonnen. Sie
helfen in Haus und Hof, bei der Arbeit und bringen zu Weihnachten die Gaben. Aber we-
he man ärgert sie oder man vergisst ihnen am Weihnachtsabend als Dank für getane Ar-
beit die Weihnachtsgrütze vor die Tür zu stellen! Schnell brennt da die Scheune! Auch auf
die Nisser der Nachbargehöfte sind sie nicht gut zu sprechen: Da gibt es nachts ein emsig
Zanken und Streiten …
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