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Sehnsucht nach der Ferne
Die Zeit der großen norwegischen Entdeckungsreisen begann Ende des 10. Jahrhunderts,
als seit einigen Jahren Bjarni Herjulfssons Kunde von einem fernen Land weitab der Hei-
mat umhergeisterte. Also machte sich Leiv Eriksson (Erik der Rote) auf, dieses unbe-
kannte Reich im Westen zu finden, zu erkunden und zu besiedeln. Er erreichte das Vin-
land (Weideland) um das Jahr 1000 und entdeckte so 500 Jahre vor Kolumbus Amerika.
Ende des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit, als Norwegen nach Jahren der (Selbst-)Ver-
gessenheit reanimiert wurde, fanden sich etliche Nacheiferer des schon legendären Leiv
Eriksson. Einer der ersten war Fridtjof Nansen (1861-1930), der außer durch seine For-
schertätigkeit auch mit seiner humanitären Arbeit für Flüchtlinge des 1. Weltkrieges welt-
berühmt wurde. Seine größten Expeditionsleistungen sind die Überquerung des grönlän-
dischen Inlandseises 1888 per Ski und 1894 die Erkundung des Treibeises zwischen der
Nord-Ost-Meerespassage und dem Nordpol, wofür er sich mit dem speziell zu diesem
Zweck erbauten Schiff „Fram“ („Vorwärts“) in der Eisdrift treiben ließ, die seiner Theorie
nach von den Westsibirischen Inseln über den Nordpol in Richtung Spitzbergen/Grön-
land verlief. Zwar konnten 90° Nord nicht erreicht werden, Nansens Theorie bewahrhei-
tete sich jedoch 1897, als das Packeis die „Fram“ nahe Spitzbergen wieder freigab.
Eine weitere Fahrt mit der „Fram“ unternahm der zweite große norwegische Polarfor-
scher und Entdecker jener Zeit, Roald Amundsen (1872-1928). Sein Plan war es eigent-
lich, den Nordpol zu erobern. Da ihm jedoch der Amerikaner Peary im Jahr 1909 zuvor-
kam, änderte er kurzfristig die Reiseroute um 180° und wandte sich dem Südpol zu. Auch
hier war Eile geboten, denn schon war der Engländer Robert F. Scott mit dem gleichen
Ziel unterwegs. Man traf sich 1911 am Ross-Schelfeis, und der Wettlauf begann. Gestartet
wurde im Oktober. Scott entschied sich für die westliche und bereits erforschte Route,
Amundsen wählte die östliche, unbekannte, dafür aber kürzere Strecke, die sich als die
bessere erwies. Am 14. Dezember 1911 erreichte er als erster Mensch den Südpol. Scott,
der mit Motorschlitten und Ponys unterwegs war, kam erst einen Monat später an. Völlig
erschöpft und enttäuscht starb er auf der Rückreise. Seine Aufzeichnungen jedoch über-
dauerten die Zeiten und bieten heute einen spannenden und tragischen Einblick in die
Zeit der Erforschung der letzten weißen Flecken unserer Erde. Auch Amundsens Buch
über die Entdeckung des Südpols ist noch erhältlich. Möglich machten Amundsens Erfolg
auch seine früheren Reisen. Als erstem gelang es ihm z.B., mit dem fast schon winzigen
Schiff „Gjøa“ die Nord-West-Passage von 1903 bis 1906 zu durchqueren.
Bekanntester und aufsehenerregendster Reisender in Sachen Abenteuer und For-
schung ist der in Larvik geborene Ethnologe Thor Heyerdal. Seine erste Fahrt führte ihn
1947 mit dem Balsafloß „Kon-Tiki“ nach Tahiti. Er wollte so seine Theorie untermauern,
dass die Bewohner dieser Eilande aus Südamerika einwandern konnten, indem sie ihre
zerbrechlichen Boote der Meeresströmung des Humboldtstromes anvertrauten. 1955/56
leitete er eine weitere Expedition zu den Osterinseln, wobei Ausgrabungen drei Kultur-
epochen nachwiesen. Den Reisen über den Pazifik folgte 1969 die Fahrt mit dem Papy-
rusboot „Ra I“, benannt nach dem ägyptischen Sonnengott. Mit dieser waghalsigen Pas-
sage über den Atlantik, die erst im zweiten Anlauf mit der „Ra II“ glückte, sollte bewiesen
werden, dass die amerikanischen Kulturen entscheidend von den afrikanischen beeinflusst
werden konnten. Letztes Projekt war die Erforschung der kanarischen Pyramiden als Teil
einer weltweit verbreiteten Bauform.
Im Gegensatz zu Heyerdahl auf den Spuren Amundsens und Nansens arbeiten heute in
den Polargebieten die Meteorologin und Glaziologin Monica Kristensen, die For-
schungsprojekte in der Antarktis leitet, sowie Erling Kagge, der 1992/93 den Südpol als
erster allein und ohne technische Hilfsmittel bezwang.
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