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Steuern zu bezahlen. Von jeder Krone
mehr müssen zusätzlich 12 % an den
Fiskus abgeführt werden. Ein Camping-
platzbesitzer meinte dazu: „Dieses
Land geht mir manchmal wahrlich auf
den Geist. Es ist immens teuer, voller
verworrener Reglementierungen, und
es ist dabei fast unmöglich, zu richti-
gem Wohlstand zu gelangen. Da ver-
bringen meine Frau und ich doch lieber
den gesamten Winter im preiswerten
Spanien.“ Dabei wird gerne vergessen,
dass der norwegische Sozialstaat sol-
che Ausflüge für viele erst möglich
macht. Doch anstatt sich darüber zu
freuen, beklagt man sich lieber über die
Preise für Alkohol und Essen und glorifi-
ziert dabei nur zu gerne Resteuropa,
dessen manigfaltigen sozialen Proble-
me man nicht beachtet - und oft gar
nicht kennt! Wie denn auch, wo doch in
den Zeitungen das Weltgeschehen mit
maximal zwei Seiten gewürdigt wird
und es dabei sogar noch fraglich ist, ob
mehr Informationen überhaupt er-
wünscht wären, sind doch in der klei-
nen „Wir-die-Norweger-Gesellschaft“
die Sechslinge von Nachbars Lumpi
und das ausgeprägte Vereinsleben
meist von größerem Interesse als ein
Krieg auf dem Balkan. Verwunderlich
ist dabei, dass die „norwegische
Großfamilie“ gleichzeitig ein Volk von
Kosmopoliten ist. Man engagiert sich
wie kaum ein anderes Land für die
Welthungerhilfe, gibt im Vergleich zu
anderen Industriestaaten Unmengen
für Entwicklungshilfe aus und ist stolz
darauf, ein so kleines, unbescholtenes
Land zu sein, das international so viel
bewegt: Man denke nur an die Osloer
Treffen von Palästinensern und Israelis
und an den Friedensnobelpreis. Oft
kommt es dabei auch zu großen Enttäu-
schungen, wenn man von „den Ande-
ren“ doch wieder mal übergangen wird
und es sich herausstellt, dass das eige-
ne Land doch nicht der Nabel der Welt
ist; und dies, wo man doch versucht,
tatsächlich viel dafür zu tun. So gehören
z.B. die Aufnahmekontingente für
Flüchtlinge aus Krisenregionen zu den
höchsten Europas (im Verhältnis zur
Einwohnerzahl). Auch wurden die Ein-
wanderungs- und Asylregelungen in
den 1990er Jahren zunehmend gelo-
ckert. Die Bewilligungsprozeduren kön-
nen jedoch endlos und frustrierend
sein. Zudem gehören Ausländer oft -
mit Ausnahme der Akademiker - zu
den ärmsten Menschen der Gesell-
schaft, ganz wie im restlichen Westeu-
ropa auch. Schockierende Studien aus
den letzten Jahren belegen, dass im von
Afrikanern und Asiaten dominierten
Ostteil Oslos das Lohnniveau 30 bis
50 % und die Lebenserwartung 10 bis
15 Jahre niedriger liegen als im wohlha-
benden Westteil der Stadt. Die an-
gestrebte gesellschaftliche Gleichheit
scheint sich daher im selbsternannten
Musterstaat auch nur auf Einheimische
zu beschränken.
Bleibt zum Schluss die Frage, wo sich
denn der Norweger in seinem teuren
und eigentlich doch so schönen Lande
am liebsten aufhält. Zur Lagebeurtei-
lung noch einmal der Osloer Lehrer
Guy: „Nun, am wohlsten fühlen wir uns
eigentlich auf Wanderungen oder bei
Skitouren, allein im Wald. Kommen wir
nach Hause in unsere Urlaubshütte
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