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Kasten 3.9 Metamorphose und Gebirgsbildung
Metamorphe und tektonische Prozesse sind
eng gekoppelt, und so kann man aus der
Verbreitung bestimmter metamorpher Ge-
steine und aus den Druck- und Temperatur-
bedingungen, die sie widerspiegeln, die De-
tails z.B. von Gebirgsbildungsprozessen
nachvollziehen. Gebirgsbildungen folgen
dem so genannten Barrow-Geotherm, in
dem Druck und Temperatur in etwa gleich-
mäßig zunehmen. Wir wollen als besonders
gut untersuchtes Paradebeispiel für ein Bar-
row-artiges Deckengebirge den Zentralteil
der Alpen ein wenig näher betrachten (Abb.
3.26).
Der Begriff Deckengebirge (nicht zu ver-
wechseln mit Deckgebirge) bedeutet, dass
ursprünglich horizontal nebeneinander lie-
gende Gesteinspakete im Zuge der Kollision
zweier Kontinentplatten übereinander ge-
schoben und dabei teilweise metamorph
überprägt wurden. In den Schweizer Alpen
war die Nordwärtsdrift der afrikanisch-apu-
lischen Platte dafür verantwortlich, dass zu-
nächst vor etwa 100 - 40 Millionen Jahren
der zwischen dieser Platte und Europa lie-
gende Ozean ( penninischer Ozean , ein Teil
des frühen Atlantiks) unter Afrika subdu-
ziert, anschließend der Kontinentrand Euro-
pas in mehrere Decken zerlegt und diese
gestapelt wurden (so genannte helvetische
Decken der Nordschweiz, Abb. 3.26 und
3.27). Einzelne Kontinentfragmente, die in-
nerhalb des penninischen Ozeans gelegen
hatten (z.B. Sesia-Lanzo-Zone), wurden zu-
sammen mit den ozeanischen Einheiten auf
die europäische Platte überschoben und da-
ran angeschweißt (so genannte penninische
Decken der Zentral- und Südschweiz, Abb.
3.27). Die höchste Einheit, der afrikanisch-
apulische Rand ( ostalpine Decken ), ist über
die penninischen Decken überschoben, aber
in den Schweizer Alpen weitgehend erodiert
worden. Die Hebung seit etwa 30 Millionen
Jahren vor heute machte diesen mittelkrus-
talen Deckenbau dann sichtbar. Derzeit be-
trägt die Hebungsrate der Alpen immer
noch etwa 1mm pro Jahr. Die Subduktion
des penninischen Ozeans führte zu einer
Fülle von vor allem basischen Hochdruckge-
steinen, die heute noch z.B. in der Zermatt-
Saas Fee-Zone zu sehen sind, wobei Blau-
schiefer in den ganzen Westalpen verbreitet
vorkommen (Abb. 3.26). Im Detail werden
diese Gesteine in Abschnitt 3.8.5 und Kas-
ten 3.14 besprochen. Die helvetischen und
penninischen Decken spiegeln in ihren un-
terschiedlichen Metamorphosebedingungen
die unterschiedliche Versenkungstiefe und
das Übereinanderstapeln des Gebirgsbaues
wider.
Während der Einengung wurden Fragmente
des unter der Ozeankruste befindlichen sub-
ozeanischen Mantels wie auch Fragmente
des unter dem Kontinentrand befindlichen
subkontinentalen Mantels in die Decken ein-
geschuppt. Diese Fragmente liegen heute als
eigenständige Einheiten (z.B. Malenco-Kom-
plex, Zone von Zermatt-Saas Fee) und als ult-
rabasische Fremdgesteinslinsen von m- bis
km-Größe in vielen penninischen Decken vor.
Die im Tessin sehr genau untersuchten Linsen
in penninischen Decken zeigen durch un-
terschiedliche Mineralvergesellschaftungen,
die näher in Abschnitt 3.8.2 besprochen wer-
den, dass dort auch im Detail eine regionale
Zonierung der metamorphen Bedingungen
beobachtet werden kann (Abb. 3.28). Von
Norden nach Süden nehmen die Temperatur
und der Druck kontinuierlich zu, von unme-
tamorph am Vierwaldstätter See auf etwa
500°C/4 - 5 kbar in der Pioramulde knapp
südlich des Gotthards und bis zu etwa 750°C/
7 kbar bei Bellinzona an der insubrischen Li-
nie, der Nahtlinie zwischen apulischer und
europäischer Platte. Vergleicht man diese
metamorphe Zonierung mit dem Schnitt
aus Abb. 3.26 und 3.27, so erkennt man,
dass dort, wo die Kruste am meisten ver-
dickt wurde, besonders hohe Temperaturen
herrschten, und dass nahe der Nahtstelle der
insubrischen Linie besonders tiefe und heiße
Gesteine an die Oberfläche gebracht wur-
den. Dies lässt auf unterschiedliche Hebungs-
raten nach der eigentlichen Kollision der
Platten schließen. Ein wenig weiter östlich,
im Val Codera bei Chiavenna, sind sogar
Gesteine der verdickten Krustenwurzel an
die Oberfläche gekommen, die Bedingungen
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