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mischen, wissenschaftlichen und tech-
nischen Neuerungen beim Übergang
vom Mittelalter zur Neuzeit fanden
ihren ersten und revolutionärsten Nie-
derschlag in den Künsten - die zeig-
ten, wie die Menschen dachten, fühl-
ten und handelten, aber auch antizi-
pierten, wie sie denken, fühlen und
handeln sollten bzw. und könnten -
und produzierten zugleich die ersten
und letzten „Universalgenies“ der Ge-
schichte
der Renaissance: Brunelleschi, Donatel-
lo, Masaccio), um das Tor zur Zukunft
aufzustoßen.
Mit der Renaissance befreite sich
der Mensch aus den Fesseln von
Schicksal und Gottergebenheit, mu-
tierte aber in gleichem Maße, wie an
die Stelle von Kaisern, Päpsten und
ihren Statthaltern kühl kalkulierende
Kaufmänner, Händler, Bankiers und
Politiker getreten waren, erstmals zum
„Herdentier“.
Und Michelangelo verherrlichte
(und lebte) wie noch keiner vor ihm
die Freiheit und Individualität des
Menschen, sah sich aber gleichzeitig
zum ohnmächtigen Erfüllungsgehilfen
einer Entwicklung degradiert (Feuda-
lismus, Heroismus, Barock, Geniekult),
die zielgerichtet auf den Untergang
seiner Welt zusteuerte.
(uomo universale,
Renais-
sance Man).
Bildhauer waren gleichzeitig Gold-
schmiede, Architekten und Maler so-
wie Philosophen, Alchemisten, Ingeni-
eure, Dichter, Mathematiker, Kunst-
theoretiker, Ökonomen und erfolgrei-
che Geschäftsleute, alles in einem (da
reicht nicht einmal ein Goethe heran).
Michelangelo steht als unverrück-
barer Gigant am Ende dieser Epoche.
Wie Giotto zweihundert oder Masac-
cio hundert Jahre zuvor war er seiner
Zeit weit voraus - ein „Genie”, schein-
bar ohne Vorläufer -, aber letztlich
auch nur Teil einer Entwicklung, die
bereits Jahrhunderte zuvor eingesetzt
hatte.
Ohne die bahnbrechenden Arbeiten
eines Dante, Petrarca, Pisano oder
eben Giotto hätte es keinen Michelan-
gelo gegeben. Der Eleganz und schö-
nen Unverbindlichkeit seiner Zeitge-
nossen (als Schüler lernte er in der
angesehensten Bottega seiner Zeit,
der des Domenico Ghirlandaio) konn-
te er wenig abgewinnen , wie vor ihm
Pisano, Giotto, Ghiberti griff er von
neuem auf die Vergangenheit zurück
(die Antike und die erste Generation
Schwierigkeiten & Probleme
Unvoreingenommene (unvorbereitete) Be-
sucher werden sich immer wieder den glei-
chen Problemen gegenübersehen:
Religiosität. Noch bis ins 16. Jh. hinein
hatte Kunst praktisch ausnahmslos sakralen
Charakter; erst in der Renaissance traten
nach und nach antikisierende und mytho-
logische Motive hinzu. Daran muss man sich
gewöhnen (oder eben nicht). Mit etwas
Glück (und dem nötigen Auge) mag es
einem angesichts der x-ten Madonna mit
Kind aber ergehen wie dem Feinschmecker
mit der zehnten Bistecca oder Acquacotta:
man entdeckt Nuancen, registriert Unter-
schiede, verliert sich in Details, beginnt sich
zu begeistern.
Romanik, Gotik oder Frührenaissance?
Aber: „reine“ Stile gibt es nicht. Diesel-
be Bauform kann nördlich der Alpen etwas
völlig anderes bedeuten als südlich davon,
und an allen großen Kirchen und Domen
wurde so lange gebaut (hundert Jahre und
 
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