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Die Medici
Wer durch die Toscana reist, wird ihr protziges Wappen mit den Palle, den emblemati-
schen Kugeln, noch in dem abgelegensten Weiler des Hinterlands finden. Von vielen
werden sie in einem Atemzug mit Florenz genannt (Dante, Michelangelo, Medici), so als
hätten sie die Stadt höchstpersönlich erbaut und nebenbei auch noch die Renaissance
erfunden. Davon kann keine Rede sein. Die aus dem hinterwäldlerischen Mugello stam-
menden Medici waren Aufsteiger des späten Trecento, die dank lukrativer Bankgeschäf-
te zu den reichsten Magnati der Republik aufstiegen und sich durch Taktik und Oppor-
tunismus die politische Macht sicherten, als die große Zeit der Weltstadt Florenz, poli-
tisch wie ökonomisch, schon längst vorüber war.
Noch im 14. Jh. waren die Medici nur eine von vielen reichen Kaufmannsfamilien in
Florenz. Den Grundstock zum Vermögen des Clans legte Giovanni di Bicci de'Medici,
der nach der Kirchenspaltung 1378 auf die römische Kurie setzte und die Päpste mit
Krediten zum Wiederaufbau Roms versorgte. Danach genügten im Grunde ganze drei
Männer in drei Jahrhunderten, um ihren Namen unsterblich zu machen. Cosimo, zur
besseren Unterscheidung später Il Vecchio, der Alte, genannt, der zum reichsten Mann
der damaligen Welt aufstieg und von den Florentinern zunächst verjagt wurde, als er
auch die politische Macht beanspruchte; ein schlauer „Businessman“ und gerissener
Machtmensch, aber auch ein asketischer Gelehrter und Förderer von Humanisten und
Künstlern. Lorenzo il Magnifico, der Schöngeist, der das Vermögen bereits zu verpras-
sen begann und sich als aristokratischer Mäzen und „Dichterfürst“ im Glanz seines Hofs
sonnte; ein künstlerisch begabter Lebemann und Sammler der schönen Künste, aber
auch ein eitler Verschwender und feudalistischer Despot, der Florenz mit Polizeistaat-
methoden regierte und nur knapp einem Mordanschlag entging. Und Cosimo I., der
der Republik endgültig den Garaus machte und zum Ahnherr eines Clans von Großher-
zögen aufstieg, als Florenz und die Toscana bereits am Boden lagen; ein machtbewuss-
ter Fürst und fanatischer Opportunist, dessen Puritanismus und Geiz nur noch von sei-
ner Eitelkeit übertroffen wurde.
Die Medici kamen an die Macht, als Florenz den Gipfel seiner politischen und wirt-
schaftlichen Blüte soeben erreicht (bzw. schon überschritten) hatte. Das Netz ihrer Ge-
schäfts- und Handelsbeziehungen (Tuche, Seide, Rohstoffe, Luxusartikel) umfasste fast
die gesamte damals bekannte Welt (mit Bankfilialen in Rom, Neapel, Mailand, Venedig,
Genf, London, Brügge) und brachte den Clan in engsten Kontakt mit allen Herrscher-
häusern Europas. Sie festigten ihre Macht durch Lorenzo, der es meisterhaft verstand,
als „Lichtgestalt der Renaissance“ Humanismus und Kunstsinn zu repräsentieren, aber
gleichzeitig unter dem Deckmantel der Republik heimlich den Feudalstaat einzuführen.
Und sie „verewigten“ ihre Macht (zumindest für fast zwei Jahrhunderte), indem sie ge-
nau zur rechten Zeit den idealen Fürsten parat hatten, als die Toscana der Gnade eben
jener ausländischen Mächte ausgeliefert war, mit denen der Clan seit Generationen Ge-
schäfte betrieb und verschwippt und verschwägert war.
Das Geschlecht wäre jedoch unvollkommen beschrieben, würde man ihm nicht qua-
si in toto einen maßlosen Machttrieb attestieren, der nicht von ungefähr die Mafia vor-
ausahnen lässt. Wenn es darauf ankam, waren die Medici immer zur Stelle. Und reichte
es einmal nicht aus, Päpste lediglich „für sich einzunehmen“, stellten sie eben selber
welche. Leo X. und Clemens VII. brachten es sogar so weit, zur gleichen Zeit sowohl die
Christenheit wie ihre Heimatstadt zu repräsentieren (und sich der Welt obendrein noch
als Förderer Michelangelos zu verkaufen).
 
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