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sance das „finsterste Mittelalter“ nie
überwand, sondern allenfalls „verfei-
nerte“ und in Maßen „humanisierte“.
Wucher, Tyrannei, Blutrache, Mord
und Totschlag und der Krieg jedes ge-
gen jeden blieben auch im Zeitalter
der „aufgeklärten“ Medici und ihrer
„humanistischen“ Berater an der Ta-
gesordnung. Händler und Kaufleute
stiegen zu Fabrikanten, Bankiers und
Magnaten auf und ergriffen nach der
wirtschaflichen auch die politische
Macht. Zum ersten Mal in der Ge-
schichte regierte das Geld.
Anstelle der im Volk immer noch tief
verwurzelten Hingabe an die Kirche
trat ein lokalpolitischer Patriotismus
mit der Betonung auf dem Diesseits
(Rationalismus, Zweckdenken, Empi-
rie). Der Durchbruch der Zentralpers-
pektive in den Künsten (Architektur,
Skulptur, Malerei) bedeutete mehr als
nur eine neue „Technik“, sondern eine
neue Weltanschauung (ich sehe die
Welt/die Welt ist so, wie ich sie se-
he/die Welt existiert nur, indem ich sie
sehe). Der Individualismus eröffnete
ungeahnte Perspektiven für Ökono-
mie, Wissenschaft und Kunst, aber
auch für eine immer brutalere Macht-
politik seitens der Herrschenden (Ma-
chiavellismus) . Republikanisches (und
zumindest im Ansatz demokratie-ähn-
liches) Staatsbewusstsein wurde skru-
pellos unterdrückt zugunsten auto-
ritär-tyrannischer Strukturen, die naht-
los an das System vor der kommuna-
len Phase anknüpften. Der Bürger-Par-
venu erfand nicht Geschichte neu,
sondern trat nur als (wenn auch pro-
gressiver) Imitator derer auf, die er ver-
drängt hatte, sei es der Nobilität (vom
Geburts- zum Geldadel), sei es der
Kirche (vom passiven Heilsempfänger
zum aktiven Mäzen von Klöstern, Ka-
pellen, Kunstwerken).
Bereits Ende des Quattrocento wur-
de der wirtschaftliche und kulturelle
Niedergang deutlich spürbar. Das
Großbürgertum verlagerte seine Inter-
essen von der Produktion (Tuchindus-
trie) auf den Grundbesitz (Entstehung
der Villen- und Gartenkultur), und Flo-
renz büßte seinen Nimbus als Kultur-
hauptstadt Europas an Rom und Paris
ein. Politisch geriet das in rivalisieren-
de Kleinstaaten zersplitterte Italien un-
ter den Druck ausländischer Groß-
mächte, die bald offen die Geschicke
des Landes steuerten.
Kunst & Kultur
„Wohlgebildete Menschen sollten über
die Schönheit und Anmut von Gegen-
ständen, natürlichen wie durch mensch-
liche Kunst geschaffenen, miteinander
diskutieren und sie würdigen können.“
(Pier Paolo Vergerio, Über vornehmes
Betragen, 1404).
Was in der heutigen Zeit Telekommu-
nikation, Multimedia und Internet sind,
waren früher die Künste - sowohl Vor-
reiter und Wegbereiter (Avantgarde)
als auch gleichzeitig Repräsentanten
ihrer Zeit.
Kunst und Wissenschaft, Wirtschaft
und Politik waren noch keine getrenn-
ten Sphären, sondern miteinander
„vernetzt“. Die umwälzenden ökono-
 
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